LEITARTIKEL

Problem erkannt, Ziel verfehlt

Die Regierung von Frankreichs Staatspräsident François Hollande hat ihren ersten Haushaltsplan vorgelegt. Er gleicht einem nie gekannten Kraftakt, denn er sieht Steuererhöhungen von 20 Mrd. Euro und Einsparungen von 10 Mrd. Euro vor, um das Defizit...

Problem erkannt, Ziel verfehlt

Die Regierung von Frankreichs Staatspräsident François Hollande hat ihren ersten Haushaltsplan vorgelegt. Er gleicht einem nie gekannten Kraftakt, denn er sieht Steuererhöhungen von 20 Mrd. Euro und Einsparungen von 10 Mrd. Euro vor, um das Defizit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone im kommenden Jahr wie mit den EU-Partnern vereinbart auf 3 % zu senken. Die Absicht von Hollandes Team, das Defizitziel einzuhalten, ist löblich. Doch der dafür gewählte Weg ist äußerst riskant. Die massiven Steuererhöhungen werden Haushalte und Unternehmen belasten. Damit kann sich der Haushaltsplan ins Gegenteil der gewünschten Wirkung verkehren und Frankreich in die Krise abrutschen lassen.Um die Bevölkerung und den linken Flügel der sozialistischen Regierungspartei zu besänftigen, betont Hollandes Kabinett zwar immer wieder, der Haushaltsentwurf werde vor allem die Reichen des Landes zur Kasse bitten. Doch in Wahrheit wird die Steuerschraube nun für viele Franzosen angezogen. Die Regierung hatte bereits im Sommer Steuererhöhungen in Höhe von 4,4 Mrd. Euro beschlossen, steuerfreie Überstunden abgeschafft und Freibeträge für Familien gesenkt. Damit steigt die Gefahr, dass Frankreich in eine Rezession abrutscht, nachdem es im zweiten Quartal bereits zum dritten Mal in Folge ein Nullwachstum hinnehmen musste. Die zusätzlichen Steuerbelastungen dürften sich nun negativ auf das Konsumverhalten der französischen Haushalte auswirken. Zumal die Zahl der Arbeitslosen und der Mindestlohnempfänger immer weiter steigt. Dabei ist der private Konsum traditionell Frankreichs Wachstumsmotor. Das Risiko ist damit groß, dass Frankreich das Defizitziel nicht einhalten kann. Denn der Haushalt basiert auf der Annahme, dass die Wirtschaft im kommenden Jahr um 0,8 % wachsen wird. Eine Prognose, die angesichts der sich häufenden negativen Anzeichen viel zu optimistisch erscheint.Vor starken Einsparungen ist die Regierung zurückgeschreckt. Denn wie ihre Vorgänger fürchtet sie den Zorn der Staatsbeamten. Sie machen in Frankreich einen deutlichen größeren Anteil der Bevölkerung aus als in anderen europäischen Ländern. Zwar sollen nun 12 298 Stellen in verschiedenen Ministerien wegfallen. Doch gleichzeitig will die Regierung auch Hollandes Wahlkampfversprechen umsetzen und 11 000 neue Stellen im Schulwesen, bei der Polizei und in der Justiz schaffen. Es wäre besser, konsequent Stellen im Staatswesen abzubauen, um Kosten zu senken.Hollande hat immer wieder betont, dass er das Defizitziel einhalten will, damit Frankreich unabhängig bleibt und sich nicht wie Griechenland oder Portugal die Wirtschaftspolitik von der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds diktieren lassen muss. Doch es ist zweifelhaft, ob Hollandes Regierung ihre Ziele einhalten kann. Für sie dürften die nächsten Monate zur Gratwanderung werden. Denn der Druck nimmt nicht nur seitens der Opposition zu, sondern auch innerhalb der eigenen Reihen und an den Bondmärkten. Hollandes Team steht dort nun der erste Stresstest bevor. In den ersten Monaten nach seinem Amtsantritt haben ihm die Märkte noch einen Freifahrtschein gewährt – in der Folge fielen die Renditen für französische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit im August auf ein historisches Tief. Fällt der Haushaltsplan nun bei Investoren aber durch, läuft Frankreich Gefahr, dass es in die gleiche Situation wie die Krisenstaaten Spanien und Italien gerät und höhere Zinsen für seine Staatsanleihen zahlen muss.——–Von Gesche Wüpper ——-Vor starken Einsparungen schreckt die Regierung Hollande zurück. Wie ihre Vorgänger fürchtet sie den Zorn der Staatsbeamten.