Rachel Reeves unter Druck
Rachel Reeves unter Druck
Aufnahme langfristiger Schulden für Großbritannien so teuer wie zuletzt 1998
hip London
Die britische Schatzkanzlerin Rachel Reeves hat ein Problem: Britische Staatsanleihen (Gilts) werden abverkauft. Langfristige Schulden zu machen, ist deshalb so teuer wie zuletzt vor 27 Jahren. Die Renditen liegen höher als im Herbst 2022, als ihr glückloser Vorgänger Kwasi Kwarteng mit einem nicht gegenfinanzierten Wachstumshaushalt einen Kursrutsch am Gilt-Markt auslöste.
„In Großbritannien machen sich Stagflationsängste breit, nachdem die Inflation wieder angezogen hat und das Lohnwachstum stark geblieben ist, während die Wirtschaft stagnierte“, sagt Susannah Streeter, Head of Money & Markets bei Hargreaves Lansdown. Es werde befürchtet, dass dies das Ausmaß der Leitzinssenkungen der Bank of England in diesem Jahr begrenzen könnte. Der Appetit auf langlaufende Gilts sei angesichts dieser Ungewissheit offenbar gesunken.
Reeves finanzieller Spielraum verpufft
Am Mittwoch rentierten 30-jährige Gilts mit 5,25%. Das gab es zuletzt 1998. Den Volkswirten der Deutschen Bank zufolge ist damit der hauchdünne finanzielle Spielraum, den der Ende Oktober vorgelegte Haushalt Reeves noch ließ, vermutlich verpufft. Nach ihrer Schätzung steigen die Kosten für den Schuldendienst zwischen den Fiskaljahren 2025/26 und 2029/30 um rund 10 Mrd. Pfund jährlich.
Das Schatzamt nannte Vermutungen, der finanzielle Spielraum der Regierung könnte erschöpft sein, in einer Mitteilung eine „reine Spekulation“. Nur die unabhängigen Haushaltshüter des Office for Budget Responsibility (OBR) könnten akkurat vorhersagen, wie groß dieser Spielraum sei.
Fiskalregeln „nicht verhandelbar“
Das OBR wird am 26. März seinen Ausblick auf die wirtschaftliche Entwicklung vorlegen. Am Markt wird erwartet, dass es seine Wachstumsprognose von 2,0% für das laufende Jahr senken und seine Annahmen für Teuerung und Arbeitslosigkeit nach oben nehmen wird.
„Niemand sollte daran zweifeln, dass die Einhaltung der Fiskalregeln nicht verhandelbar ist“, zitiert der „Telegraph“ einen Sprecher des Ministeriums. „Die Regierung wird die öffentlichen Finanzen eisern im Griff behalten.“
„Eher Nadeln unter die Fingernägel“
Der ehemalige City-Minister Andrew Griffith nannte die Äußerungen des Schatzamts „außerordentlich“. Normalerweise würde man sich im Schatzamt in so einem Fall „eher Nadeln unter die Fingernägel stecken, als öffentliche Stellungnahmen abzugeben“.
„Die Frage ist, welche Herangehensweise die Regierung wählen würde, um sich wieder Spielraum zu verschaffen, sollte das am 26. März nötig werden“, schreiben die Volkswirte der Lloyds Banking Group in einer ersten Einschätzung. „Es ist eine Wahl zwischen weiteren Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen. Kurzfristig könnte mehr Klarheit darüber viel dazu beitragen, die Situation zu beruhigen, aber es gibt keine einfachen Lösungen.“
Anleger fordern höheren Kupon
Das Risiko bestehe darin, dass Reeves an den Finanzmärkten seit der Kehrtwende bei den Sozialversicherungsbeiträgen ein „Glaubwürdigkeitsproblem“ habe, konstatiert Simon French, der Chefvolkswirt von Panmure Liberum.
Bei ihrer jüngsten Auktion konnte die britische Schuldenagentur DMO Gilts mit 30-jähriger Laufzeit nur noch mit einem Kupon von 5,2% platzieren. Für fünfjährige Titel forderten die Anleger 4,5%. Im Vergleich zur Auktion im September entspricht das einem Renditeanstieg von 70 bis 90 Punkten.