Rajan fordert mehr Gemeinsamkeit
Während die US-Notenbank auf eine Zinserhöhung zusteuert, wird die EZB ihre Politik wohl erneut lockern. Diese Divergenz schürt Sorgen vor Marktturbulenzen. In der Situation plädiert Indiens angesehener Notenbankchef Raghuram Rajan für mehr Gemeinsamkeit in der Geldpolitik.ms Frankfurt – Indiens Notenbankchef Raghuram Rajan hat ein stärker gemeinschaftliches Agieren der Zentralbanken weltweit gefordert – nicht zuletzt beim Ausstieg aus der beispiellos expansiven Geldpolitik der vergangenen Jahre. Es brauche “mehr kollektives Vorgehen” der Währungshüter, sagte Rajan gestern bei einem Vortrag an der Goethe-Universität Frankfurt. Der frühere Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF), der weltweit hohes Ansehen genießt, betonte, es gehe nun nicht darum, dass alle Notenbanken zum gleichen Zeitpunkt den Exit vollzögen. Es würde aber helfen, wenn sie sich zumindest “in die gleiche Richtung” bewegten.Mit seinen Aussagen untermauert Rajan frühere Forderungen. Besondere Brisanz erhalten sie aktuell dadurch, dass mit der US-Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank (EZB) die beiden wichtigsten Notenbanken der Welt in komplett gegensätzliche Richtung marschieren: Die Fed visiert eine erste Zinserhöhung nach sieben Jahren Nullzinspolitik an. Die EZB dagegen steuert gar auf eine erneute Lockerung ihrer beispiellos expansiven Politik zu. Nicht zuletzt der IWF befürchtet wegen dieser “Super-Asynchronität” erhebliche Finanzmarktturbulenzen.Grundsätzlich gehört die Debatte über eine stärkere internationale Zusammenarbeit der Zentralbanken derzeit zu den wesentlichen Diskussionen in den Fachzirkeln. Der IWF plädiert schon länger dafür. Im Blick hat er zumeist die Fed und die Folgen der US-Geldpolitik für die Schwellenländer. Zuletzt äußerte sich aber auch die Zentralbank der Zentralbanken BIZ in diese Richtung. Hintergrund ist nicht zuletzt die Sorge, dass sich die Zentralbanken gegenseitig in eine immer lockerere Geldpolitik treiben. Viele Währungshüter argumentieren dagegen, sie hätten zuvorderst für ihre Region Verantwortung und müssten diese im Blick haben.Rajan betonte nun bei seinem Vortrag auf Einladung des Forschungszentrums Safe, des Center for Financial Studies und der Bundesbank, dass er nicht einer Koordinierung im Sinne fester Absprachen der Geldpolitik weltweit das Wort rede. Er weiß auch um die Probleme wie unterschiedliche Mandate. Angesichts der zunehmenden Übertragungseffekte nationaler Geldpolitik auf andere Länder könne ein stärker kollektives Vorgehen aber zu besseren Ergebnissen führen. In dem Zusammenhang kritisierte Rajan auch erneut grundsätzlich Versuche, mittels Geldpolitik die eigene Währung zu schwächen und sich so Vorteile auf Kosten anderer Länder zu verschaffen. Wenn das jeder mache, werde auch keiner große Vorteile daraus ziehen.Rajan sagte, dass es nicht darum gehe, eine Geldpolitik, die negative Folgen für andere habe, grundsätzlich auszuschließen. Wenn ein Land in sehr großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecke, könne das womöglich nötig sein. Entscheidend sei aber, dass dieses Land dies dann später “zurückzahlt”. Rajan plädiert deshalb dafür, dass internationale Institutionen solche Politiken stärker ins Visier nehmen und überwachen. Er sagte aber nicht, welche Institution er konkret im Blick hat.Grundsätzlich erneuerte Rajan seine Kritik an der “extrem aggressiven Geldpolitik” in den vergangenen Jahren. Sie habe nicht die erhofften positiven Effekte gezeigt, wie ein Anziehen der Investitionen, berge aber womöglich “gewaltige Risiken” – vor allem für die Finanzstabilität. Dieser Kritik schloss sich auch erneut Bundesbankchef Jens Weidmann an, der im EZB-Rat als größter Kritiker einer zu lockeren Geldpolitik gilt.Rajan betonte, dass die Geldpolitik wie die Fiskalpolitik an ihre Grenzen gestoßen sei in dem Bemühen, das Wachstum anzukurbeln. Um das globale Wachstum zu erhöhen, brauche es jetzt Strukturreformen und Investitionen in Infrastruktur – etwa in den Schwellenländern.Mit Blick auf die mögliche Zinserhöhung in den USA sagte Rajan, dass diese breit avisiert worden sei. Trotzdem sei mit einer gewissen Volatilität an den Märkten zu rechnen. Diese müsse aber ertragen werden. Was ihm viel mehr Sorge bereite, seien die Konsequenzen, auf Dauer “in einer Welt der ultraakkommodierenden Geldpolitik” zu verharren.—– Personen Seite 16