LEITARTIKEL

Raus aus der Bütt

Was hat sich Paul Ryan bloß gedacht, als er Donald Trump kurz nach dessen Amtseinführung Ende Januar ausgerechnet für den Faschingsdienstag auf den Capitol Hill eingeladen hat? Auf den Vorschlag des Mehrheitsführers der Republikaner im...

Raus aus der Bütt

Was hat sich Paul Ryan bloß gedacht, als er Donald Trump kurz nach dessen Amtseinführung Ende Januar ausgerechnet für den Faschingsdienstag auf den Capitol Hill eingeladen hat? Auf den Vorschlag des Mehrheitsführers der Republikaner im Repräsentantenhaus wird der neue US-Präsident heute Abend zum ersten Mal in einer gemeinsamen Sitzung der beiden Kammern des Kongresses sprechen. Zwar spielt der Karneval in den USA kaum eine Rolle. Trumps Talent für Büttenreden ist aber nicht erst seit dem Wahlkampf im vergangenen Jahr bekannt.Auch in den fünf Wochen im Weißen Haus hat der Immobilienunternehmer a. D. mit Wurzeln im närrischen Rheinland-Pfalz schon für den einen oder anderen “Tusch” gesorgt. Erst in der vergangenen Woche rief er dem vor Begeisterung stehenden Publikum der Conservative Political Action Conference (CPAC) zu, dass die Medien wahrscheinlich berichten würden, Donald Trump habe vom Establishment der Republikaner an der CPAC am Ende keine Standing Ovations erhalten. “Dass ihr die ganze Zeit gestanden habt, werden sie nicht schreiben!” Tä-Tää, Tä-Tää, Tä-Tää.Der begnadete Büttenredner im Weißen Haus, der seine Kontrahentin Hillary Clinton bei der Wahl im November geschlagen hat, obwohl er rund 3 Millionen Stimmen weniger erhielt, und der über die mit Abstand geringste Akzeptanz eines US-Präsidenten so früh in einer Amtszeit verfügt, hält bisher vor allem seine Anhänger bei Laune. Sie werden nach acht Jahren mit dem Posterboy der Liberalen, Barack Obama, scheinbar nicht müde, den Sieg im November auszukosten. Auch manch einer aus dem Establishment der Republikaner, das sich lange gegen Trump gesträubt, wenn auch nicht erfolgreich gegen ihn gewehrt hat, weidet sich jetzt an der Panik in der Demokratischen Partei, an der Verblüffung bei Partnern auf der ganzen Welt, denen Trump zeigt, wo der Hammer hängt, sowie an der Konsternation liberaler Medien vom “Clinton News Network” CNN bis hin zur “Fake New(s) York Times”, die zuletzt von einem Pressebriefing im Weißen Haus ausgeschlossen waren.Doch selbst wenn dem Präsidenten und seinen Anhängern neben dem aufreibenden Job in Washington die eine oder andere Pointe auf Kosten anderer vergönnt sei und Trump nach der Panne bei den Oscars am Sonntagabend in seiner Rede noch einen draufsetzen und vor dem Kongress eine Neuauszählung der Stimmen in Kalifornien ankündigen oder zumindest behaupten könnte, dass er die Wahl auch im bevölkerungsreichsten Bundesstaat ohne Manipulationen in Hollywood sicher gewonnen hätte, genau wie “Moonlight” am Ende doch statt “La La Land” den Preis für den besten Film bekommen hat – die Zeit für Büttenreden ist vorbei.Bisher hat der Präsident nicht viel mehr geliefert als ein paar flotte Sprüche und ein bisschen Skandal, etwas Kraftmeierei und viel Gefuchtel mit den kleinen Fäusten. Sobald es ernst wird – Stichwort Ein-China-Politik oder Nato -, kommt schon ein Emissär des Weißen Hauses gelaufen und übersetzt den Twitter-Feed des Präsidenten. Sobald es kompliziert wird – Stichwort “Obamacare” oder Steuerreform -, hört man aus dem Weißen Haus bislang nur, dass das Gesetz, das anstelle des Affordable Care Act kommen soll, “beautiful” und die Steuerreform “huge” sein wird. Währenddessen dämmert es nicht nur den 20 Millionen Menschen, die bald wieder ohne Krankenversicherung dastehen könnten, dass auch das Schlechtere der Feind des Guten sein kann. Wenn es so weitergeht, wird die Beliebtheit von Obamacare schon bald die Umfragewerte Trumps übertreffen.Es ist höchste Zeit, dass der US-Präsident nicht nur Investoren, sondern vor allem der republikanischen Mehrheit im Kapitol erklärt, wofür er sein politisches Gewicht in den nächsten Jahren mit Nachdruck in die Waagschale werfen will. Sofern er mehr im Sinn hat, als Medien und Gerichte zu verunglimpfen, sofern er mehr erreichen möchte, als ein paar breitbeinige Dekrete zu unterschreiben, die an “sogenannten Richtern” scheitern, muss Trump die Mehrheit im Kongress auf seine Seite bringen. Das wird nicht so leicht wie eine Büttenrede vor den eigenen Anhängern auf der CPAC, die er im vergangenen Jahr übrigens noch gemieden hatte. Der Auftritt heute Abend im Kongress könnte aber ein guter Anfang sein. Die Zeit läuft. Nach der Sommerpause im August geht es für viele Abgeordnete auf dem Kapitol bereits stramm auf die Midterms im Herbst nächsten Jahres zu. Dann kümmern sie sich vor allem um ihre Wiederwahl und müssen selber in die Bütt.——–Von Stefan Paravicini Donald Trump tritt am Faschingsdienstag vor dem US-Kongress auf. Für den neuen Präsidenten wird es höchste Zeit, endlich mehr als eine Büttenrede zu liefern.——-