Reallöhne steigen so stark wie seit 2008 nicht mehr
lz Frankfurt – Die Reallöhne in Deutschland sind zu Beginn dieses Jahres so stark gestiegen wie seit 2008 nicht mehr. Wie das Statistische Bundesamt meldet, erhöhten sie sich um 2,5 %. Das lag vor allem an der niedrigen Preissteigerung. Das nominale Lohnplus von ebenfalls 2,5 % kam so in vollem Umfang bei den Beschäftigten an. Der seit Januar geltende Mindestlohn sorgte zudem bei Ungelernten und geringfügig Beschäftigten sowie in einigen Branchen für merkliche Verdienstzuwächse, was auf das Gesamtergebnis durchschlug.Experten gehen davon aus, dass sich der positive Trend fortsetzen wird. “Wir dürften in diesem Jahr einen sehr kräftigen Reallohnzuwachs von 2,5 bis 3,0 % sehen, was für einen enormen Kaufkraftschub sorgt”, sagte der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Ferdinand Fichtner, der Nachrichtenagentur Reuters. 2014 waren die Reallöhne noch um 1,7 % gewachsen.”Die Rekordbeschäftigung stärkt die Position der Arbeitnehmer in den Lohnverhandlungen”, argumentiert Fichtner. Zugleich dürften die steigenden Löhne auch den Privatverbrauch weiter anheizen, was derzeit für die recht stabile Konjunktur sorge. Allerdings sind die Aussichten, die steigenden Nominallöhne auch im Gesamtjahr als Kaufkraftzuwachs komplett realisieren zu können, nicht so gut wie zuletzt. Ein Teil, so Fichtner, werde von der Inflation wieder aufgezehrt, da die Preise nach der jüngsten DIW-Prognose 2015 wohl mit im Schnitt 1,2 % stärker als bislang steigen dürften.Auch ist fraglich, ob der Lohnzuwachs nicht auch negativ auf den Arbeitsmarkt durchschlägt, weil die steigenden Arbeitskosten einige Unternehmen überfordern. Immerhin erhöhten sich die Arbeitskosten in Deutschland zu Jahresanfang sogar um 3,2 %, wie die Wiesbadener Statistiker vor wenigen Wochen mitteilten. In der gesamten EU legten sie dagegen nur um 1,4 % zu. Vor allem in Frankreich, dem deutschen Haupthandelspartner in der EU, fiel der Anstieg mit 0,7 % deutlich geringer aus als in Deutschland.Vom Niveau her gesehen liegt Deutschland mit Arbeitskosten je Arbeitsstunde von knapp 32 Euro zwar höher als der EU-Schnitt von 24,40 Euro, sie sind aber deutlich niedriger als in Frankreich mit über 35 Euro. Zuletzt kommt es zudem darauf an, welche Wirtschaftsleistung in dieser Stunde vollbracht wird, die sogenannte Produktivität.Noch zeigt sich das Statistische Bundesamt zurückhaltend, was die Auswirkungen des seit Januar geltenden gesetzlichen Mindestlohns auf die Arbeitskosten angeht. Die Statistiker wollen hierzu noch weitere Daten abwarten, bevor sie eine konkrete Einschätzung abgeben. Allerdings seien in einigen Branchen mit hohem Niedriglohnanteil bereits überdurchschnittliche Verdienstzuwächse beobachtet worden wie etwa bei den privaten Wach- und Sicherheitsdiensten (+ 4,4 %) oder bei den Taxifahrern (+ 3,0 %), hieß es. Auch ein Indiz: Die Verdienste von ungelernten Arbeitskräften erhöhten sich etwa um 4,0 %, die von angelernten nur um 2,8 %. Und die Gehälter von geringfügig Beschäftigten kletterten um 5,0 %, die bei Teilzeit- und Vollzeitjobs aber nur um 2,8 bzw. 2,4 %.Letztendlich stellt sich damit die Frage, ob die jobschaffende Wirkung von starken Lohnerhöhungen und der damit ausgelöste zusätzliche Privatkonsum stärker ist als die jobvernichtende Wirkung steigender Arbeitskosten und daran anknüpfender möglicher Rationalisierungsmaßnahmen in Unternehmen.—– Wertberichtigt Seite 8