Regierung Rajoy steht auf der Kippe

Stärkste Oppositionskraft PSOE reicht Misstrauensantrag ein - Liberale plädieren für Neuwahlen

Regierung Rajoy steht auf der Kippe

Der konservativen Minderheitsregierung in Spanien droht die vorzeitige Abwahl. Die sozialistische Opposition hat wegen des jüngsten Korruptionsskandals einen Misstrauensantrag gegen Ministerpräsident Mariano Rajoy gestellt. Der Erfolg hängt wesentlich von der Zustimmung der katalanischen und baskischen Nationalisten ab.ths Madrid – Die sozialistische Partei PSOE, Spaniens stärkste Oppositionskraft, hat am Freitag im Parlament einen Misstrauensantrag gegen Ministerpräsident Mariano Rajoy eingereicht. Das Land steht damit vor einer neuen Krise, die prompt einen Kurssturz an der Madrider Börse auslöste. Grund für das Vorgehen der Opposition war das Gerichtsurteil vom Donnerstag im sogenannten “Fall Gürtel”: Die Richter sahen es als erwiesen an, dass die Volkspartei (PP) von Rajoy über viele Jahre eine parallele Buchführung pflegte und damit Schwarzgeld aus Spenden von Unternehmen verwendete. Einer von 29 Verurteilten ist der frühere Schatzmeister Luis Bárcenas, der 33 Jahre Haft aufgebrummt bekam. Die Volkspartei selbst muss als Nutznießer dieser schwarzen Kassen ein Bußgeld zahlen. Das Urteil stellt außerdem die Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen von Rajoy und anderen Spitzenpolitikern stark in Frage.Es handelt sich um das letzte Kapitel in einer Serie von Korruptionsskandalen in Spanien, die mehrheitlich die PP treffen. Tage zuvor war der frühere Minister und Regierungschef von Valencia, Eduardo Zaplana, wegen eines anderen Falls verhaftet worden. Er gesellt sich zu den Kollegen von den Balearen und aus Madrid. In der Hauptstadtregion war die konservative Regierungschefin Cristina Cifuentes wegen eines auf unsaubere Weise erworbenen Master-Titels zurückgetreten und konnte so ihre Abwahl durch ein Misstrauensvotum der PSOE abwenden.Für die Sozialisten, die in ihrer Hochburg Andalusien selbst in einen Korruptionsprozess verwickelt sind, schien es daher an der Zeit, die Reißleine zu ziehen. Oppositionsführer Pedro Sánchez will so “die Würde unserer Demokratie” zurückgewinnen, die von der Volkspartei beschädigt worden sei. Der Misstrauensantrag “richtet sich gegen die heute so wichtige Stabilität”, kritisierte dagegen Rajoy: “Er schadet der wirtschaftlichen Erholung, wie man an der Börse sieht.” Spaniens Regierungschef warf Sánchez Opportunismus vor. “Er will um jeden Preis und mit jeder Unterstützung an die Macht”, so Rajoy.In der Tat benötigt der Vorsitzende der Sozialisten noch die Zustimmung mehrerer Parteien, da die PSOE nur auf 84 von 350 Abgeordneten im Parlament kommt. Das Ja der 67 Vertreter der Linkspartei Unidos Podemos gilt als sicher, wie auch Stimmen einiger kleiner Regionalparteien. Auch die beiden separatistischen Kräfte aus Katalonien, ERC und PDeCAT, wollen Rajoy stürzen. Doch Sánchez mahnte an, dass er für deren 17 Stimmen keine Zugeständnisse an den Separatismus machen werde und in dem Konflikt knallhart auf die Einhaltung der Verfassung pochen wolle. Für die nötige Mehrheit von 176 Stimmen bedarf es jedoch noch der fünf Abgeordneten der baskischen Nationalisten der PNV. Diese hatten am Mittwoch noch den Haushalt der Regierung in letzter Minute gerettet. Am Freitag ließ sich die PNV zunächst nicht in die Karten schauen, verlangte von der PP jedoch eine Entschuldigung bei den Bürgern wegen der Korruption.Die liberale Ciudadanos will den Antrag der Sozialisten dagegen nicht unterstützen, da sie nicht mit “Separatisten und Populisten” in einem Boot sitzen will. Sie schlägt Sánchez stattdessen vor, Rajoy zur Ausrufung von Neuwahlen zu drängen, was dieser aber erst nach der Abstimmung über den Misstrauensantrag machen könnte.