Parlamentswahlen

Regierungsallianz bangt um Mehrheit

Der Ton zwischen Präsident Macron und Linkspopulist Mélenchon wird rauer. Mélenchon behauptet, Macrons Regierung plane eine versteckte Erhöhung der Mehrwertsteuer. Er selbst will die öffentlichen Ausgaben kräftig erhöhen. 

Regierungsallianz bangt um Mehrheit

wü Paris

Vor der zweiten Runde der Parlamentswahlen in Frankreich am Sonntag steigt die Anspannung in den Lagern der Regierungsallianz Ensemble und des Linksbündnisses Nupes (Nouvelle Union populaire écologique et sociale). Beide haben in der ersten Runde fast gleich abgeschnitten, jedoch begünstigt das komplizierte Wahlsystem die Regierungsallianz. Für sie geht es nun darum, die absolute Mehrheit zu erzielen. Das ist jedoch alles andere als selbstverständlich. Stattdessen könnte sie eine einfache Mehrheit hinnehmen müssen, im schlimmsten Fall eine Kohabitation, sollte Nupes die absolute Mehrheit erhalten.

Jüngsten Umfragen zufolge könnte Ensemble auf 257 bis 297 der insgesamt 577 Sitze in der Nationalversammlung kommen. Für die absolute Mehrheit benötigt sie 289 Sitze. Sollte die Regierungsallianz jedoch nur auf eine relative Mehrheit kommen, könnte sie auf die Unterstützung einer anderen parlamentarischen Gruppe angewiesen sein – für einzelne Gesetzentwürfe oder für die gesamte Legislaturperiode.

Nur noch ein Versuch

Präsident Emmanuel Macron könnte sich auch entschließen, mit einer Minderheit zu regieren. Das wäre nicht das erste Mal. So hatten die Sozialisten unter dem damaligen Premier Michel Rocard 1988 bis 1991 ebenfalls keine absolute Mehrheit. Rocard hat daher in seiner Amtszeit 28 Mal von Artikel 49.3 der Verfassung Gebrauch gemacht, um Gesetze ohne vorherige Abstimmung zu verabschieden. Allerdings kann die Opposition dann jedes Mal einen Misstrauensantrag stellen. In einer Verfassungsreform 2008 ist Artikel 49.3 eingeschränkt worden. Er darf nur noch für das Haushaltsgesetz oder die Finanzierung der Sozialversicherung angewendet werden, und das bei maximal einem Gesetzentwurf pro Legislaturperiode.

Der Ton zwischen Präsident Macron und dem Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon von Nupes wird immer rauer, je näher die zweite Runde rückt. Mélenchon, der nicht zum ersten Mal ähnlich wie der frühere US-Präsident Donald Trump Lügen verbreitet, behauptet nun, Macron plane eine versteckte Erhöhung der Mehrwertsteuer, weil er 80 Mrd. Euro benötige, um das Defizit Frankreichs auf 3% zu senken. Die Regierungsallianz wiederum wirft dem Linksbündnis vor, Steuererhöhungen über mindestens 160 Mrd. Euro zu planen, was die Steuerbelastung um 6 Punkte des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erhöhen würde. Nupes will die öffentlichen Ausgaben um 250 Mrd. Euro anheben.