Regierungsbildung in Irland stockt
bet London – Der irische Premierminister Leo Varadkar hat seinen Posten zur Verfügung gestellt. Seiner Partei Fine Gael war es am Donnerstagabend nicht gelungen, im Parlament in Dublin ausreichend Stimmen für Varadkars Unterstützung zu mobilisieren. Varadkar bleibt als Interimspremier tätig, bis ein neues Regierungsbündnis geformt ist. In dieser Rolle wird der 41-Jährige Irland auch zu Beginn der EU-Verhandlungen mit Großbritannien über ein Freihandelsabkommen vertreten. Varadkar hatte im Herbst großen Anteil daran, mit dem britischen Premier Boris Johnson einen Brexit-Vertrag auf die Beine zu stellen. Er konnte diesen Erfolg jedoch bei vorgezogenen Neuwahlen Anfang Februar nicht in einen Wahlsieg ummünzen.Anfang nächster Woche werden Fine Gael und die Oppositionspartei Fianna Fáil erste Gespräche über eine Zusammenarbeit führen. Beide Parteien, die sich historisch stets mit der Regierungsbildung in Irland abgewechselt hatten, lehnen eine Kooperation mit der linksnationalistischen Sinn Fein ab. Bei der Parlamentswahl hatte Sinn Fein überraschend die meisten Stimmen gewonnen. Eine deutliche Übermacht im Parlament blieb Parteichefin Mary Lou McDonald nur verwehrt, weil die Partei nicht mit diesem Erfolg gerechnet und nicht in allen Wahlkreisen Kandidaten aufgestellt hatte.Die Neuwahl ließ die irische Politik paralysiert zurück: Sinn Fein hat im Parlament nun 37 Sitze, ebenso wie effektiv Fianna Fáil. Fine Gael kommt auf 35 Abgeordnete. Zur Regierungsbildung wird eine Mehrheit von 80 Stimmen benötigt. Sinn-Fein-Chefin McDonald vertritt zwar einen gemäßigten Kurs und hat sich von der gewaltbelasteten Vergangenheit der Partei im Nordirlandkonflikt distanziert. Mit Sinn Fein zu koalieren oder in Form einer Duldung zusammenzuarbeiten, haben Fine Gael und Fianna Fáil jedoch ausgeschlossen.Für eine Regierungsbildung dürfte deshalb kaum ein Weg an der Grünen Partei vorbeiführen, deren zwölf Stimmen einem Bündnis der beiden etablierten Parteien über die Ziellinie helfen würden. Beobachtern zufolge dürften Fine Gael und Fianna Fáil nach einer Weile eine Koalitionslösung finden, weil keinem von ihnen an Neuwahlen gelegen ist – ganz im Gegensatz zu Sinn Fein. Die Partei dürfte an ihren Versprechen hoher Staatsausgaben für Wohnungsbau und Gesundheitswesen festhalten und würde diesmal wohl nicht mit zu wenigen Kandidaten antreten.