Regierungsstreit in Italien spitzt sich zu

Premier Letta im Clinch mit seinem Parteichef Renzi

Regierungsstreit in Italien spitzt sich zu

Von Thesy Kness-Bastaroli,Mailand”Ich trete nicht zurück. Wer meinen Posten als Regierungschef will, soll dies klar zugeben,” erklärte Italiens Ministerpräsident Enrico Letta gestern Abend vor Journalisten. Damit hat sich der Streit um die Regierungsneubildung in Rom zwischen dem amtierenden Regierungschef Letta und dem neu gewählten Sekretär seiner Partei, Matteo Renzi, zugespitzt. Heute will die Parteileitung des Partito Democratico (PD) eine Lösung finden. Staatspräsident Giorgio Napolitano hat Neuwahlen bereits ausgeschlossen.Letta hält vorerst an seinem Amt fest. In dem einstündigen Gespräch mit seinem Konkurrenten Renzi konnte keine Einigung erzielt werden. Die Sozialdemokraten beschönigten das Treffen der Streithähne als “positive Begegnung”. Letta kündigte einen Tag vor der entscheidenden Sitzung der Parteileitung ein neues Regierungsprogramm, die Beschleunigung der Reformen und Umbesetzungen im Kabinett an.In Sachen politische Selbstzerfleischung sind die Sozialdemokraten ungeschlagene Meister. Nach den Wahlen vor einem Jahr musste Parteichef Pier Luigi Bersani zurücktreten, als er sich schon als Premier gesehen hatte. Letta sprang in die Bresche. Doch seine bisher farblose Vorstellung hat nicht nur in seiner eigenen Partei zur Unzufriedenheit geführt. Auch der Präsident des Unternehmerverbandes, Giorgio Squinzi, stellte kürzlich ein Ultimatum: Wenn der Premier nicht schleunigst ein umfassendes Reformprogramm präsentiere, werde man sich an Staatspräsident Giorgio Napolitano wenden. Reformweg bleibt unklarInzwischen hat der Koalitionspartner Scelta Civica (SC) wissen lassen, dass ein Misstrauensantrag nicht auszuschließen sei. Und die von Innenminister Angelino Alfano geführte NCD (Nuovo Centro Destra) gab bekannt, dass sie nichts gegen eine Regierung von Matteo Renzi habe. Selbst die populistische Lega Nord, die sich bislang in der Opposition befand, überlegt eine mögliche Beteiligung an einer Regierung Renzi.Der Florentiner Bürgermeister wäre nach Mario Monti und Letta der dritte Regierungschef, der nicht vom Volk gewählt wird – und der einzige in der EU, der nicht im Parlament seines Landes sitzt.Die Hoffnungen in Mailänder Finanz- und Unternehmenskreisen sind groß, dass der 39-jährige Renzi politische Stabilität und so die Basis für die Wirtschaftserholung garantieren werde. Die wichtigste Frage, ob und vor allem wie es Renzi gelingen wird, bei den dringend nötigen Reformen ein schnelleres Tempo als Letta vorzulegen, ist unbeantwortet.