Regling wirbt für Fiskalkapazität
scd Luxemburg
Der Geschäftsführende Direktor des Euro-Rettungsfonds ESM (European Stability Mechanism), Klaus Regling, hat die Forderung nach der Einrichtung eines Stabilitätsfonds zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Euro-Volkswirtschaften im Falle externer Schocks untermauert. „Jetzt, nach den Krisen der letzten Jahre, in denen alle Länder viele zusätzliche Schulden machen mussten, könnte ein solcher Stabilitätsfonds besonders nützlich werden“, unterstrich Regling in seiner Rede anlässlich des 70. Jubiläums der Börsen-Zeitung in der Luxemburger Zentrale von PwC.
Der ESM-Chef wies darauf hin, dass der fiskalpolitische Spielraum der Euro-Staaten gerade nach der Pandemie deutlich eingeschränkt sei, um externe Schocks wie die Folgen von Naturkatastrophen abzufedern. Zudem sei bereits jetzt absehbar, dass der Ukraine-Krieg jenseits des schrecklichen menschlichen Leids gravierende wirtschaftliche Folgen habe: „Wahrscheinlich stellt der Krieg Europa vor noch größere Herausforderungen als die Pandemie.“ Bereits jetzt sei absehbar, dass es Einbußen bei den sogenannten Terms of Trade gebe, weil Importpreise schneller kletterten als Exportpreise – mit entsprechenden Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit des Euro-Währungsgebiets.
Regling gab sich zuversichtlich, dass der Vorschlag im Laufe des Jahres in den politischen Diskussionen in Brüssel eine Rolle spielen könne, schließlich werde eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts im Jahresverlauf debattiert. Zudem werde die EU über notwendige Reaktionen auf die wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs sprechen.
Dass ein solcher Fonds für den Fall asymmetrischer Schocks von den betroffenen Regierungen nicht genutzt würde, weil sie eine Stigmatisierung als Programmländer fürchteten, hält Regling nicht für zwangsläufig. Gerade die Erfahrung der Staaten, die Hilfsgelder des ESM genutzt hätten, beweise, dass durch diese Unterstützung „Erfolgsgeschichten“ geschrieben worden seien. „Griechenland steht sehr gut da“, betonte Regling. Im Übrigen erinnerte er daran, dass das Thema einer potenziellen Stigmatisierung mehr die Politik beschäftigt habe als die Marktteilnehmer. „Märkte und Ratingagenturen wissen, dass ein Land profitiert“, sagte der ESM-Chef mit Referenz auf Staaten, die Hilfsprogramme annehmen.
Zuversicht für Bankenunion
Angesprochen auf die Aussichten, im Euroraum doch noch die seit Jahren geplante Bankenunion zu vollenden, zeigte sich Regling optimistisch: „Ich habe es in der EU auch nach Jahrzehnten der Verhandlungen erlebt, dass gute Argumente gehört werden.“ Er verstehe zwar, dass Deutschlands Regionalbanken und Sparkassen einem gemeinsamen europäischen Einlagensicherungssystem skeptisch gegenüberstünden, weil sie sich selbst über ihre Institutssicherung schützten. „Aber was nutzt ein Institutssicherungssystem, wenn es anderen Banken nicht gut geht?“, lautete seine Gegenfrage. Schließlich profitierten auch Volksbanken und Sparkassen davon, wenn andernorts Krisen verhindert würden. Er sei sicher, dass das Risiko, dass ein Sicherungssystem überhaupt genutzt werden müsse, gering sei, wenn dieses System glaubwürdig gemanagt werde. Denn dann sei auch die Gefahr klein, dass in Krisenzeiten ein Bank Run starte.
Parallel zur Fortentwicklung der Bankenunion bekräftigte Regling das Plädoyer für eine Kapitalmarktunion und einen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen. Solche Fortschritte würden „durch eine effizientere Allokation von Kapital außerdem zu einem stärkeren Potenzialwachstum in Europa beitragen und auch die internationale Rolle des Euro stärken“.
Im Zusammenhang mit dem Anlass der Rede, dem 70. Jubiläum der Börsen-Zeitung, unterstrich der ESM-Chef die Rolle der Kommunikation mit Medien und Märkten, um Finanzstabilität zu sichern. Es gehe darum, Maßnahmen „gut zu erklären, denn es ist sehr komplex“. Dazu sei eine Ansprache nötig, die „über einen Tweet“ hinausgehe. Er habe im Zuge der Staatsschuldenkrise leidvoll erlebt, dass die Arbeit des Euro-Rettungsfonds falsch dargestellt wurde – „so als hätten wir Steuergelder aus Deutschland direkt nach Griechenland überwiesen“. Umso mehr sei er nun zufrieden damit, wenn allgemein akzeptiert werde, dass sich Griechenland gut entwickelt habe.