„Rein national können wir die europäische Verteidigung nicht organisieren“
„Rein national können wir die europäische Verteidigung nicht organisieren“
Der CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler begrüßt, dass die EU-Kommission nationale Haushaltsspielräume für Verteidigungsinvestitionen erweitert und Kredite für die Stärkung der gemeinsamen Verteidigungsfähigkeit zur Verfügung stellt. Dieses Geld sollte so eingesetzt werden, dass es die Abhängigkeiten von Drittstaaten reduziert.
Der CDU-Europaabgeordnete über Ausnahmen vom Stabilitätspakt, den Einsatz von EU-Mitteln für Rüstung und die Reduktion von Abhängigkeiten
Herr Gahler, die EU-Kommission will schnell viel mehr Geld für Rüstungsausgaben mobilisieren. Halten Sie die Kombination aus nationaler Ausweichklausel für den Stabilitätspakt und 150-Mrd. Euro gemeinschaftlicher Mittel für Kredite für richtig?
Der vorgeschlagene Weg erscheint zielführend. Die Mitgliedstaaten brauchen finanzielle Handlungsspielräume, um die dringend notwendigen Verteidigungsinvestitionen tätigen zu können. Hierfür sowohl durch zeitlich begrenzte nationale Ausnahmen vom Wachstums- und Stabilitätspakt mehr Flexibilität zu schaffen als auch den Mitgliedstaaten den Zugang zu günstigen Krediten für Verteidigungsinvestitionen zu ermöglichen, halte ich für angemessen. So wichtig sie auch ist, in diesen Tagen ist Haushaltsdisziplin eine zweitrangige Frage.
Reicht das aus, was die EU-Kommission jetzt plant?
Es ist in jedem Fall ein absolut notwendiger Schritt angesichts der Bedrohungslage, mit der wir uns konfrontiert sehen. Entscheidend wird aber sein, dass die Mittel koordiniert für die Stärkung unserer gemeinsamen Verteidigungsfähigkeit im Rahmen gemeinsamer Projekte eingesetzt werden. Rein national können wir die europäische Verteidigung nicht organisieren, schon gar nicht kosteneffizient.
Die Mittel aus dem europäischen Programm sollen zu knapp zwei Drittel bei in Europa ansässigen Unternehmen ausgegeben werden. Ist das sinnvoll – die Quote zu hoch, zu niedrig?
Nach drei Jahrzehnten der Unterfinanzierung und des Sparens an Verteidigung verwundert es nicht, dass wir technologisch und teils auch im Hinblick auf Produktionskapazitäten nicht überragend gut aufgestellt sind und in verschiedener Hinsicht abhängig von Partnern, insbesondere den USA, sind. Angesichts der aktuellen Entwicklungen steht außer Frage, dass wir diese Abhängigkeiten reduzieren müssen. Das Prinzip muss sein: Soviel Europa wie möglich und so wenig Drittstaatenanteil wie nötig.
Wie schätzen Sie die Bemühungen ein, mehr privates Kapital für Verteidigung zu mobilisieren, etwa die Öffnung der Fördermöglichkeiten der EIB?
Der private Kapitalmarkt bietet großes Potenzial zur Unterstützung unserer Bemühungen, die europäische Verteidigungs- und Abschreckungsfähigkeit herzustellen. Das gilt es zu nutzen und die Verteidigungsindustrie aus der vermeintlichen Schmuddelecke, in die sie gestellt wurde, herauszuholen! Die EIB verschließt sich bedauerlicherweise weiterhin einer vollständigen Öffnung für Verteidigungsinvestitionen aus Furcht daraus, dass sich ausländische Investoren, unter anderem aus China, zurückziehen könnten, was das Rating der EIB gefährden würde. Das Europäische Parlament hat eine Öffnung wiederholt gefordert, letztlich liegt es aber an den Mitgliedstaaten als Eigner der Bank, dies durchzusetzen. Für mich steht außer Frage, dass wir uns in Fragen unserer Sicherheit nicht von chinesischen Geldern abhängig machen lassen dürfen.
Was ist Ihrer Meinung nach nun besonders dringlich, um die Verteidigungsfähigkeit Europas zu stärken?
Die europäischen Fähigkeitslücken sind mannigfaltig, wie auch die verschiedenen Ebenen der Bedrohungen, die von Russland ausgehen, sodass eine eindeutige Prioritätensetzung schwierig erscheint. Aus den Erfahrungen in der Ukraine haben wir gelernt, wie wichtig Luftverteidigung, Drohnen, Artillerie und Panzer sind. Hier bedarf es mehr Masse, aber auch technologischer Exzellenz. Gleichzeitig sehen wir, dass Putin bereits einen hybriden Krieg gegen Europa führt und Grenzen austestet, vor allem im Cyberbereich. Hier brauchen wir bessere Abwehr-, aber auch Gegenschlagfähigkeiten.
Die Fragen stellte Detlef Fechtner.
Im Interview: Michael Gahler
Das Interview führte Detlef Fechtner.