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Rentenreform spielt Bolsonaro in die Karten

af - "Kompliment an die Abgeordnetenkammer und ihren Präsidenten @RodrigoMaia. Brasilien ist nun auf dem Weg zu Beschäftigung und Wohlstand." Der Autor des Glückwunsches, versandt am Mittwochabend, war Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, dem die...

Rentenreform spielt Bolsonaro in die Karten

af – “Kompliment an die Abgeordnetenkammer und ihren Präsidenten @RodrigoMaia. Brasilien ist nun auf dem Weg zu Beschäftigung und Wohlstand.” Der Autor des Glückwunsches, versandt am Mittwochabend, war Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, dem die 513 Abgeordneten soeben den mächtigsten aller Steine aus dem Weg geräumt hatten. 379 Deputierte beschlossen die Reform des alten ruinösen Rentensystems, des Hauptverursachers der dramatischen Budgetdefizite in den vergangenen Jahren. Die in mehr als 30 Parteien zersplitterte erste Kammer des Parlamentes beschloss mit 74 % der Stimmen eine Neuregelung, die für einen erheblichen Teil der Bevölkerung fraglos schmerzliche Mehrbelastungen bringen wird. Mehr als ein Jahrzehnt lang hatte sich deshalb keine Drei-Fünftel-Mehrheit finden wollen. Nun kam sie zustande, aber nicht dank des neuen Präsidenten, sondern “trotz Bolsonaro”, wie der Parlamentschef sagte.Die Reform ist vor allem das Werk von Rodrigo Maia. Der Ökonom aus Rio de Janeiro, der bereits unter der Vorgängerregierung Temer den Kongress geleitet hatte, gehört zu jener politischen Elite, die Bolsonaro im Wahlkampf heftig attackiert hatte. Obwohl erst 49, wurde Maia vorigen Oktober bereits zum sechsten Mal für die konservative Demokraten-Partei in den Kongress gewählt; er ist ausgezeichnet vernetzt, was sich nun als äußerst hilfreich erwies. Er organisierte alle Stimmen rechts der Mitte, und auch in zwei der sechs Linksparteien waren insgesamt 19 Deputierte bereit, für die Neuregelung zu stimmen. Der Präsident Bolsonaro hatte zuvor umgerechnet 1,5 Mrd. Dollar Sondermittel für öffentliche Projekte freigestellt, um zögerliche Kandidaten zu motivieren.Das am Mittwoch beschlossene Papier, das in einer zweiten Beschlussrunde im Kongress und dann im Senat noch verändert werden kann, sieht ein allgemeines Mindesteintrittsalter für staatliche und private Arbeitnehmer vor, das die nach dem Ende der Militärdiktatur 1988 geschaffenen Pensionsgesetze bisher nicht vorsahen: 62 Jahre für Frauen und 65 Jahre für Männer, zudem mit einer Mindestbeitragszeit von 30 bzw. 35 Jahren versehen. Mit dieser grundlegenden Änderung will die Regierung in Brasilia im nächsten Jahrzehnt mindestens 300 Mrd. Dollar sparen.Ehe die Reform zur Abstimmung kam, wurde das ursprüngliche Projekt, das von einem Team des Finanz- und Wirtschaftsministers Paulo Guedes entworfen worden war, erheblich modifiziert. So wurde die Einbeziehung eines individuellen Kapitalisierungssystems, wie es in Chile existiert, wieder zurückgezogen. Ebenso wurden in letzter Minute und auf Druck von Bolsonaro und seiner rechtsextremen Sozialliberalen Partei (PSL) die Bedingungen für Sicherheitsbeamte gelockert.