Reue ja, Entschädigung nein
Von Ulli Gericke, BerlinJahrzehnte hatte es gedauert, bis Unternehmen und Banken sich ihrer lange verdrängten Vergangenheit unter dem Nationalsozialismus annahmen. Seitdem sind beeindruckende Historiografien entstanden, etwa über die Dresdner Bank, die “Hausbank der Nazis”, oder über dutzende deutsche Konzerne, die Kriegsgefangene und/oder Zwangsarbeiter ausbeuteten, von der “Arisierung” profitierten oder sich in besetzten Gebieten dortige Firmen unter den Nagel rissen.Ebenfalls eine stolze Zeitspanne war verstrichen – nämlich gut ein Vierteljahrhundert seit der deutsch/ deutschen Wiedervereinigung – bis sich die Deutsche Bahn an die bislang blinden Flecken ihrer Ost-Schwester, der Deutschen Reichsbahn, erinnerte. “Die Reichsbahn und der Strafvollzug in der DDR” heißt eine gestern vorgestellte Studie über eine Periode der Bahn, “die sich nie, nie, nie wiederholen darf”, wie Bahn-Chef Rüdiger Grube bei der Vorstellung des Werks mahnte. Arbeit extrem gefährlichDarin listen die Historiker Susanne Kill, Christopher Kopper und Jan-Henrik Peters auf, wie und wo Häftlinge zur Zwangsarbeit eingesetzt waren und unter welch unmenschlichen Bedingungen Gefangene im so genannten Grotewohl-Express – benannt nach dem ersten Ministerpräsidenten der DDR, Otto Grotewohl – “verschickt” wurden. “So würde man nicht mal Schweine transportieren, wie hier Menschen transportiert worden sind”, räumte Grube ein. Selbst die neuen, noch in den frühen achtziger Jahren gebauten GSTW, Gefangenensammeltransportwagen, waren so konzipiert, dass in eine Zelle von minimalen 1-mal 1,34 Meter fünf Gefangene gepfercht wurden – oder auch mehr, wenn wieder mal Not am Mann war und die Zahl der GSTW nicht ausreichte.Waren diese ungeplanten Sondertransporte für die Reichsbahn eher ein Last, hatte sie Häftlinge für schwere Bau- und Montagearbeiten fest eingeplant – und sei es nur deshalb, weil sich für diese gefährlichen Arbeiten keine regulären “Werktätigen” fanden. In der von der Bahn (zusammen mit dem Stahl- und Walzwerk Riesa) auf eigene Kosten errichteten Strafvollzugseinrichtung Zeithain etwa sei die Lebensgefahr bei der tagtäglichen Arbeit zehnmal so hoch gewesen wie in normalen VEB Volkseigenen Betrieben, ermittelten die Historiker.Dennoch sieht Grube keine Möglichkeiten für eine Entschädigung, blockte der Bahn-Chef entsprechende Forderungen von Ex-Häftlingen ab. Dies könne der Staatskonzern nur zusammen mit der Politik leisten. Hohe Zeit also für den zuständigen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, der gegenüber der Bahn doch gerne das große Wort schwingt, sich ähnlich engagiert im Kabinett und Parlament für eine angemessene und respektable Lösung für die SED-Verfolgten einzusetzen. ——–Die Deutsche Reichsbahn profitierte von DDR-Gefangenen, will aber nicht zahlen.——-