LEITARTIKEL

Rom muss solidarisch sein

Mit einem historisch beispiellosen Hilfspaket greifen Europäische Zentralbank (EZB), Europäische Investitionsbank, der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) und die EU-Kommission Europa angesichts der Coronavirus-Pandemie unter die Arme. Dazu...

Rom muss solidarisch sein

Mit einem historisch beispiellosen Hilfspaket greifen Europäische Zentralbank (EZB), Europäische Investitionsbank, der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) und die EU-Kommission Europa angesichts der Coronavirus-Pandemie unter die Arme. Dazu kommen gigantische Programme auf nationaler Ebene. Italien ist das nicht genug. Seit Wochen machen Regierung und Opposition in seltener Einigkeit Front gegen die “geizigen” Niederländer und Deutschen, die einer Vergemeinschaftung der Schulden in Form von Corona-Bonds nicht zustimmen wollen. Unter Einsatz von abgehalfterten Politikern, Teilen der deutschen Opposition und Interviews in ausländischen Medien wird Druck gegen die angeblich herzlose Politik Den Haags und Berlins aufgebaut. Dabei sperrt sich niemand gegen Hilfen für das dramatisch überforderte Gesundheitssystem des Landes, dem mit allen Mitteln geholfen werden muss.Es ist Italien selbst, das Hilfen des ESM brüsk zurückweist, weil es “demütigende” Bedingungen wie die Verpflichtung, die 36 Mrd. Euro für das Gesundheitswesen einzusetzen, nicht akzeptieren will. Italien hat stets von der Großzügigkeit Europas profitiert, ob beim Eintritt in die Währungsunion, der gar nicht hätte erfolgen dürfen, weil die Schuldenlast von 120 % des Bruttoinlandsprodukts viel zu hoch war, oder bei den Staatshaushalten. Mit Rücksicht auf Regierungen verschiedenster Couleur winkte Brüssel die Budgets trotz Verstößen gegen die Stabilitätskriterien stets großzügig durch. Verpflichtungen und versprochene Gegenleistungen wie Strukturreformen in Verwaltung und Justiz oder Ausgabenkürzungen ignorierte Rom. Die Versprechen stammten ja von einer der vielen längst abgelösten Vorgängerregierungen, an deren Zusagen man sich nicht gebunden fühlte. Lieber wurden großzügige Wahlgeschenke verteilt, das Rentenalter gesenkt, eine viel zu hohe Mindestsicherung beschlossen und Staatshilfen an marode Unternehmen wie Alitalia vergeben.Die Schulden stiegen auch in den guten Zeiten – auf 135 %. Jetzt sollen die Partner Hilfen möglichst mit der Gießkanne über Italien schütten. Bedingungen dafür lehnt die Regierung in Rom ab. Mit Verpflichtungen nahm man es nie so genau. Die EU-Richtlinie über die Liberalisierung der Dienstleistungen (Bolkestein-Direktive) ist 14 Jahre nach Inkrafttreten ebenso wenig umgesetzt wie die Normen für die maroden Autobahntunnel und vieles mehr.Wenn Italien quasi unbegrenzte Mittel fordert, sollten die Geldgeber aufpassen. Natürlich muss dem Land geholfen werden, schon aus Eigeninteresse, denn die explosive Mischung aus einer um 10 % oder stärker schrumpfenden Wirtschaft sowie dramatisch steigenden Ausgaben dürfte die Schulden auf bis zu 170 % steigen lassen. Italien, das diese Schulden nie zurückzahlen kann und will, kann die ganze EU mit in den Orkus reißen. Doch das heißt nicht, dem Land alles zuzugestehen, was es fordert – ohne Bedingungen und ohne zu fragen, wozu das Geld dienen soll. Rom ist derzeit nicht einmal in der Lage, den Unternehmen die nötige Liquidität aus beschlossenen Programmen zur Verfügung zu stellen oder eine Exitstrategie wenigstens in Grundzügen zu entwickeln.Ohne die Hilfen vor allem der EZB, die in riesigem Ausmaß italienische Staatsanleihen aufkauft und de facto eine monetäre Staatsfinanzierung betreibt, wäre Italien längst zahlungsunfähig. Der wieder deutlich steigende Zinsabstand (Spread) zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen zeigt, wie groß das Misstrauen gegenüber dem Belpaese ist. Weiter genährt wird es durch Bestimmungen, die Verstaatlichungen großer Teile der Wirtschaft erlauben, um Übernahmen selbst von Investoren aus der EU verbieten zu können. Damit wird Kapital aus dem Ausland weiter vergrätzt.——Von Gerhard BläskeOhne die Hilfen der Europäischen Zentralbank, die de facto eine monetäre Staatsfinanzierung betreibt, wäre Italien längst zahlungsunfähig.——