Gaslieferungen

Rubel-Kontroverse spitzt sich zu

Verhärtete Fronten im Gasstreit: Der Kreml stellt Zahlungsmodalitäten für die Umstellung auf Rubel in Aussicht. Finanzminister Lindner rät Unternehmen davon ab – und spricht von Erpressung.

Rubel-Kontroverse spitzt sich zu

rec Frankfurt

Im Streit über die Bezahlung von Gaslieferungen zeichnet sich eine Konfrontation zwischen Russland und Deutschland ab. Vor dem Hintergrund unverminderter Angriffe Russlands auf die Ukraine haben sich die Fronten im Wirtschafts- und Finanzkrieg mit wichtigen Abnehmerländern von russischem Gas verhärtet: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) untermauerte seinen Rat an Unternehmen, Gaslieferungen vertragsgemäß weiter in Euro oder Dollar zu bezahlen statt – wie von Putin gefordert – in Rubel. Zuvor hatte die Gruppe der führenden Industrienationen (G7) Putins Ansinnen zurückgewiesen. Der Kreml konterte mit der indirekten Drohung eines Lieferstopps und kündigte bis Donnerstag neue Zahlungsmodalitäten an.

Mit der Zuspitzung steigt das Risiko, dass Gasimporte nach Europa unterbrochen werden. Vor diesem Szenario warnen Wirtschaftsverbände in Deutschland vehement. Aus Furcht vor einer Rezession schreckt die Bundesregierung vor einem Embargo auf Gas- und Öllieferungen aus Russland zurück, wie es die USA und Großbritannien verhängt haben.

Zu Wochenbeginn hat sich die Tonlage verschärft. Im Interview mit Bloomberg TV riet Lindner Firmen, nicht auf die russischen Forderungen einzugehen: „Wir können keine Erpressung akzeptieren.“ Die Verträge basierten auf Dollar und Euro, und „wir empfehlen privaten Unternehmen, sich an diese Währungen zu halten“. Mit dem gleichen Argument der Vertragstreue lehnten die zuständigen Minister der G7-Staaten um Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Putins Ansinnen ab.

An den Märkten ließ die Mitteilung der G7-Staaten aufhorchen. Sie gilt als bislang stärkstes Signal, dass die betroffenen Staaten, allen voran Deutschland, nicht auf die Drohung aus Moskau eingehen werden. Die Ratingagentur Scope konstatierte: Das Risiko von Lieferunterbrechungen aufgrund von Rechtsstreitigkeiten oder einer einseitigen Entscheidung Russlands sei durch den Entschluss der G7-Staaten, eine Währungsumstellung zurückzuweisen, „erheblich“ gestiegen.

Die russische Regierung ließ es dabei nicht bewenden. Kremlsprecher Dmitri Peskow stellte weitere Schritte in Aussicht. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Tass sagte Peskow in einem Interview mit dem US-Fernsehsender PBS: „Keine Bezahlung – kein Gas.“ Am Dienstag kündigte der Kreml an, bis Donnerstag würden die Bedingungen für die Zahlung von Gas- und Öllieferungen festgelegt. „Unternehmen sollten die veränderten Rahmenbedingungen und die total neue Lage in Rechnung haben, die durch den Wirtschaftskrieg gegen Russland entstanden ist“, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters Peskow mit Blick auf westliche Sanktionen. Er bekräftigte, die ausländischen Käufer der fossilen Brennstoffe müssten in Rubel zahlen.

Aus Russland hieß es, Exporteure setzen ihre Gaslieferungen bislang in gewohntem Umfang an den vertraglich vereinbarten Obergrenzen fort – etwas mehr als 100 Mill. Kubikmeter pro Tag. Bundesregierung und EU-Kommission haben zwar eine hektische Abkehr von russischem Gas in die Wege geleitet. Doch das wird, anders als bei Öl und Kohle, Jahre dauern, denn die Abhängigkeit war nie höher als zu Kriegsbeginn. Das zeigen Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW): Demnach ist der Anteil Russlands an den deutschen Erdgasimporten zwischen 2012 und 2020 von 35% auf 55% gestiegen (siehe Grafik). „Die Abhängigkeit ist daher im abgelaufenen Jahrzehnt offenbar noch größer geworden“, konstatieren die IfW-Experten Klaus Schrader und Claus-Friedrich Laaser. „Dies war offensichtlich auch noch ab 2014 der Fall, als die westlichen Sanktionen wegen der Annexion der Krim-Halbinsel durch Russland in Kraft traten.“

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