IM BLICKFELD

Russland-Wochen gehen in die nächste Verlängerung

Von Stefan Paravicini, New York Börsen-Zeitung, 18.7.2017 US-Comedystar Stephen Colbert, der Nachfolger von Late-Night-Legende David Letterman als Gastgeber der "Late Show" auf CBS, hatte nach einem Besuch in Moskau vor wenigen Wochen nur eine...

Russland-Wochen gehen in die nächste Verlängerung

Von Stefan Paravicini, New YorkUS-Comedystar Stephen Colbert, der Nachfolger von Late-Night-Legende David Letterman als Gastgeber der “Late Show” auf CBS, hatte nach einem Besuch in Moskau vor wenigen Wochen nur eine Sorge: “Wird Russland überhaupt noch jemanden interessieren, wenn wir das Material für unsere Show fertig haben?” Die Sorge war unbegründet. Nachdem Donald Trump Jr., der älteste Sohn des US-Präsidenten, vor einer Woche die Korrespondenz zu einem Treffen von Trumps Kampagnenleitung mit der russischen Anwältin Natalia Vesselnitskaya im Sommer 2016 öffentlich gemacht hat, sprach Colbert jetzt eine Einladung für seine Show an alle russischen Anwälte mit Verbindungen zum Kreml aus, die wie Vesselnitskaya belastendes Material über Hillary Clinton anbieten können.Für die amerikanische Öffentlichkeit wird es auch ohne Late-Night-Comedy immer schwieriger, in der Fülle der Russland-Pointen den Überblick zu behalten. Zum Beispiel Natalia Vesselnitskaya: Der Name der Anwältin, die sich im Juni 2016 mit Donald Trump Jr., seinem Schwager Jared Kushner – mittlerweile der engste Berater des Präsidenten – sowie mit Kampagnenleiter Paul Manafort traf, um belastendes Material der russischen Regierung über Trumps damalige Widersacherin Clinton zu besprechen, tauchte zuletzt auch an anderer Stelle auf. Vesselnitskaya gehört zu einem Team von Anwälten, das die zypriotische Holding Prevezon vertritt, die sich in diesem Frühjahr in einem Vergleich ohne Schuldeingeständnis mit dem US-Justizministerium auf eine Zahlung in Höhe von 6 Mill. Dollar einigen konnte, kurz bevor der Fall vor einem New Yorker Gericht gelandet wäre (vgl. BZ vom 16. Mai). Wenige Wochen zuvor hatte die neue US-Regierung den ermittelnden New Yorker Staatsanwalt Preet Bharara entlassen, der die Untersuchung vor vier Jahren begonnen hatte.Prevezon steht unter Verdacht, Gelder aus Russland unter anderem mit dem Erwerb von Immobilien in New York gewaschen zu haben, die aus einem von öffentlichen Stellen in Moskau orchestrierten Steuerbetrug in der Größenordnung von 230 Mill. Dollar Ende der Nullerjahre stammen sollen, der 2009 von dem Moskauer Anwalt Sergei Magnitsky öffentlich gemacht wurde. Kurz darauf kam Magnitsky, der damals für die US-Investmentfirma Hermitage Capital tätig war, unter rätselhaften Umständen in einem russischen Gefängnis zu Tode.Drei Jahre später verabschiedete die US-Regierung den sogenannten Magnitsky Act, mit dem Personen, die mit dem Tod von Magnitsky in Verbindung gebracht wurden, der Eintritt in die USA verweigert wurde und ihre im Ausland geparkten Gelder eingefroren wurden. Im Gegenzug führte Russland Sanktionen gegen US-Staatsbürger ein und stoppte die Adoption von russischen Kindern durch Eltern aus den USA. Der russische Präsident Wladimir Putin bezeichnete den Magnitsky Act damals als “rein politischen, unfreundlichen Akt”. Er trifft Putin nach Einschätzung von politischen Beobachtern an einer empfindlichen Stelle, weil die auf eine Reihe russischer Oligarchen zielenden Sanktionen das Machtgefüge in Moskau gefährden.Wenn Donald Trump Jr. jetzt beteuert, dass es bei dem Gespräch mit Vesselnitskaya vor etwas mehr als einem Jahr nur um die Adoption von russischen Kindern gegangen sei, ist das eine weitere gelungene Pointe, taugt aber nicht zur Entlastung. Erst am vergangenen Freitag wurde schließlich bekannt, dass auch Rinat Akhmetsin an dem Treffen im Juni 2016 teilgenommen hat, ein ehemaliger Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes, der seit Jahren als Lobbyist in Washington unterwegs und auf der Suche nach Verbündeten gegen den Magnitsky Act ist.Ob das Treffen mit Emissären des Kreml, die Trumps Wahlkampfteam belastendes Material über den politischen Gegner feilboten und dann über den künftigen Umgang mit US-Sanktionen gegen Russland unter einer Regierung von Donald Trump sprechen wollten, gegen Gesetze verstoßen hat, ist umstritten. Robert Mueller, der Sonderermittler des US-Justizministeriums in dieser Angelegenheit, wird aber wohl nicht nur die Korrespondenz von Donald Jr. genau unter die Lupe nehmen, sondern auch prüfen, ob der Präsident selbst nicht vielleicht doch von dem Treffen wusste. Interessant ist immerhin, dass Trump Senior noch kurz vor dem Termin mit Vesselnitskaya ankündigte, in den nächsten Tagen eine Pressekonferenz abzuhalten, in der es vor allem um Hillary Clinton gehen sollte. “Ich werde eine große Rede halten … und wir werden besprechen, was bei den Clintons so alles los war”, kündigte er am 7. Juni an, vier Tage nachdem sein Sohn den Vorschlag für ein Treffen mit Vesselnitskaya erhalten hatte, das für den 9. Juni anberaumt war. Die Pressekonferenz fand dann allerdings nie statt. Die anderen sind schuldDas Weiße Haus spricht im Zusammenhang mit der Untersuchung von Verbindungen Trumps nach Moskau weiter von einer “Hexenjagd” und “Fake News”, verweist auf angebliche Machenschaften der Clinton Foundation und der Demokratischen Partei in Russland und der Ukraine, während Theorien die Runde machen, das Angebot von Vesselnitskaya sei eine hinterhältig gestellte Falle gewesen. Die “Russia Week” im Rahmen der “Late Show” dürfte nicht die letzte Woche in Trumps Präsidentschaft sein, die von dem Thema beherrscht wird.