Sánchez bangt um Macht in Spanien

Parteien halten vor der Parlamentswahl am Sonntag an Blockadehaltung fest - Sozialisten sind Favorit

Sánchez bangt um Macht in Spanien

Zum vierten Mal in knapp vier Jahren werden die Wähler in Spanien an die Urnen gebeten. Der Politikverdruss ist spürbar, da sich anhand der Umfragen keine klaren Mehrheitsverhältnisse abzeichnen. Der sozialistische Ministerpräsident Sánchez hofft, mit Angst vor dem Aufstieg der rechtsextremen Vox zu punkten. Von Thilo Schäfer, MadridMillionen von Fernsehzuschauern in Spanien erlebten am Montagabend ein eher ernüchterndes Spektakel. Bei der einzigen TV-Debatte der Spitzenkandidaten für die Parlamentswahl am kommenden Sonntag traten mit dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Pedro Sánchez von den Sozialisten (PSOE), Albert Rivera von der rechtsliberalen Ciudadanos und Pablo Iglesias von der Linkskoalition Unidas Podemos drei Kandidaten vor die Kameras, die bereits bei den letzten drei Wahlen binnen nur vier Jahren angetreten waren. Für Pablo Casado von der konservativen Volkspartei (PP) war es die zweite Debatte und als Neuling kam Santiago Abascal von der rechtsextremen Vox hinzu, die beim letzten Urnengang im April erstmals ins Parlament eingezogen war.Ernüchternd war auch die Erkenntnis, dass die Politiker kaum von ihren Positionen und gegenseitigen Vetos abrückten, die im Sommer bereits die Regierungsbildung blockiert und Neuwahlen erzwungen hatten. Sollten die Umfragen recht behalten, droht auch nach dem 10. November ein schwieriger Prozess, damit Spanien eine einigermaßen stabile Regierung bekommt und den langen Stillstand beendet.Die PSOE von Sánchez liegt zwar in allen Umfragen deutlich an der Spitze. Doch deuten nur wenige Studien der Meinungsforscher darauf hin, dass die Sozialisten ihre Vertretung von derzeit 123 der 350 Sitze im Unterhaus wesentlich ausbauen können. Eine Mehrheit für PP, Ciudadanos und Vox scheint schwierig, ist aber nicht ausgeschlossen.Sánchez setzt im Wahlkampf daher auf das Argument, dass allein die PSOE den Schlüssel für eine stabile Regierung habe. Zudem versucht er, enttäuschte Wähler links der Mitte zu mobilisieren, indem er eine von den Rechtsextremisten getragene Regierung an die Wand malt. In den Regionen Andalusien, Madrid und Murcia regieren PP und Ciudadanos unter Duldung von Vox.Der Spalt zwischen den Parteien rechts und links der Mitte wird an den Argumenten um den territorialen Konflikt in Katalonien deutlich, dem dominierenden Thema des Wahlkampfs. Seit der Verurteilung von neun Separatistenführern zu langen Haftstrafen wegen deren Rolle beim illegalen Referendum und der anschließenden Unabhängigkeitserklärung vor zwei Jahren ist es seit Mitte Oktober in Katalonien zu vielen friedlichen Massendemonstrationen und teilweise sehr extremen Gewaltausschreitungen gekommen.Casado, Rivera und Abascal fordern ein hartes Durchgreifen in dem Landesteil, bis hin zur Aufhebung der Autonomierechte. Sánchez hat daraufhin den Ton gegenüber den Separatisten, dank deren Stimmen er beim Misstrauensvotum gegen den Konservativen Mariano Rajoy im letzten Jahr an die Macht gekommen war, verschärft. Doch gibt sich der Sozialist auch konziliant. “Spanien ist eine Nation der Nationen und Katalonien ist eine Nation”, sagte er am Montag vor den Kameras. Dem hielt Oppositionsführer Casado entgegen: “Es kann nicht jemand Spanien regieren, der nicht an die spanische Nation glaubt”. Die Unterschiede in der Katalonien-Frage werden von Sánchez auch als Argument dafür verwendet, warum er keine Koalitionsregierung mit den Linken eingehen möchte. Er lastet Podemos-Chef Iglesias an, für ein legales Unabhängigkeitsreferendum einzutreten und die verurteilten Separatistenführer als “politische Gefangene” zu bezeichnen. Daran war bereits im September eine Regierungsbildung gescheitert. Konjunkturelle AbkühlungDie Wirtschaft hat in der Kampagne ebenfalls eine Rolle gespielt. Sánchez muss gegen die konjunkturelle Abkühlung ankämpfen. “Unsere Wirtschaft ist verwundbar, aber sie steht auf soliden Fundamenten”, versicherte der amtierende Ministerpräsident am Montag und kündigte an, im Falle eines Sieges die Wirtschaftsministerin Nadia Calviño zur stellvertretenden Ministerpräsidentin zu befördern. Entgegen früheren Plänen, reden die Sozialisten heute nicht mehr viel von Steuererhöhungen, während die drei rechten Parteien allesamt mit massiven Steuersenkungen werben. Den Wählern bleibt die Hoffnung, dass einer oder mehrere der Kandidaten nach dem Wahltag von ihrer Blockadehaltung abrücken und den Weg für eine Regierung freimachen. Denn eine erneute Wahlwiederholung kann sich in Spanien wirklich niemand vorstellen.