Sánchez pokert weiter um Mehrheit

Die Verhandlungen über eine Regierungsbildung in Spanien gestalten sich äußerst zäh

Sánchez pokert weiter um Mehrheit

Auch zwei Monate nach den vorgezogenen Parlamentswahlen hat der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez noch nicht die nötige Unterstützung im Parlament beisammen. In der Wirtschaft hat der lang anhaltende politische Stillstand bislang aber noch keine spürbaren Spuren hinterlassen.Von Thilo Schäfer, MadridSeit dem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen den konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy vor gut einem Jahr regiert der Sozialist Pedro Sánchez mit einer wackeligen Minderheitsregierung. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen vom 28. April war Sánchez` PSOE zwar die stärkste Kraft. Sie blieb aber weit entfernt von einer stabilen Mehrheit. Auch zwei Monate nach der Wahl ist der Ausgang der Regierungsbildung ungewiss.Der spanischen Wirtschaft hat dieser lange Zyklus der politischen Instabilität aber keinen spürbaren Schaden zugefügt. Das Nationale Statistikamt INE bestätigte am Freitag das kräftige Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 0,7 % im ersten Quartal, ein Zehntelpunkt mehr als Ende 2018. Der Motor der Konjunktur war weiterhin die starke Binnennachfrage, inklusive gestiegener Ausrüstungsinvestitionen, und auch der Außenhandel steuerte nach der Schwäche zuvor wieder einen leicht positiven Beitrag zum Wachstum bei.Die spanische Notenbank hatte tags zuvor jedoch angedeutet, dass sich das Wachstum im zweiten Quartal nach vorläufigen Schätzungen auf 0,6 % verlangsamt hat. Die größten Risiken für Spaniens Wirtschaft liegen im internationalen Umfeld, wie dem drohenden Handelskrieg, dem Brexit und der Schwäche einiger Schwellenländer. Doch die Notenbank verweist in ihrem Quartalsbericht auch darauf, dass daheim immer noch keine Regierung zustande gekommen ist, “weshalb die Ungewissheit über die zukünftige Wirtschaftspolitik fortbesteht”.Ministerpräsident Sánchez ist die Verhandlungen über die notwendigen Stimmen im Parlament bislang mit sehr ruhiger Hand angegangen. Nach den Parlamentswahlen vom April galt es, zunächst den Superwahltag am 26. Mai abzuwarten, als in Spanien neben dem Europaparlament auch 12 der 17 regionalen Kammern sowie sämtliche Kommunen neu besetzt wurden. Die Verhandlungen auf lokaler Ebene hatten zunächst Vorrang und bestimmen auch die Kraftverhältnisse für die nationale Regierung.Bevorzugter Partner für Sánchez ist die Linkskoalition Unidas Podemos. Deren Chef, Pablo Iglesias, besteht auf eigenen Ministern innerhalb einer Koalitionsregierung. Die Sozialisten bieten den Linken jedoch lediglich Posten in der zweiten Reihe einer “Kooperationsregierung” an, in der Unidas Podemos nicht am Kabinettstisch Platz nehmen würde.Doch selbst mit den Abgeordneten von Unidas Podemos würde es nicht zur absoluten Mehrheit reichen. In einem zweiten Wahlgang würde den Sozialisten eine einfache Mehrheit – mehr Ja- als Nein-Stimmen – ausreichen. Sánchez hofft daher nach wie darauf, dass er durch Enthaltung anderer Parteien erneut zum Ministerpräsidenten gewählt wird. Die katalanischen Separatisten der republikanischen Linken (ERC) wären unter Umständen dazu bereit, Sánchez an der Macht zu halten. Doch der Sozialist scheint offenbar eine Konstellation vorzuziehen, bei der er nicht auf das Gutdünken der Separatisten angewiesen wäre, da dies den rechten Parteien reichlich Munition gegen ihn liefern würde. Am längeren HebelSánchez appelliert daher regelmäßig an die Staatsverantwortung der konservativen Volkspartei (PP) und der rechtsliberalen Ciudadanos und fordert diese beiden Kräfte zur Enthaltung auf. Das lehnt das bürgerliche Lager bislang jedoch ab. In vielen Regionen und Rathäusern haben PP und Ciudadanos Regierungsbündnisse beschlossen und dabei die Stimmen der rechtsradikalen Vox in Kauf genommen, die neu in der politischen Landschaft Spaniens ist.Die Sozialisten sitzen am längeren Hebel, da außer einer PSOE-geführten Regierung keine Alternative möglich ist. Die Drohung von Neuwahlen wurde in dem Verhandlungsprozess bereits fallen gelassen. Experten können sich kaum vorstellen, dass man tatsächlich zum vierten Mal in vier Jahren die Bürger an die Wahlurnen zitieren wird.