Schlappe für EU-Kommission im Streit über Steuerdeals
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Luxemburg – Mit einem weiteren Urteil in Sachen nationaler Steuerdeals mit ansässigen Unternehmen – bekannt unter dem Begriff „tax rulings“ für sogenannte Steuervorbescheide – hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) der EU-Kommission eine erneute Abfuhr in ihrem Bemühen erteilt, gegen mitgliedstaatliche Steuerregelungen vorzugehen, die sie für wettbewerbswidrig hält. Die Brüsseler Wettbewerbshüter hatten seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts begonnen, gegen solche Steuervorbescheide – also quasi Voranschläge der jeweiligen Finanzämter über die absehbare Höhe der Steuerschuld einzelner Unternehmen – vor allem in Luxemburg, Irland, den Niederlanden, Belgien und Großbritannien vorzugehen und die betroffenen Staaten zu verpflichten, die daraus resultierenden Steuervorteile für die Unternehmen zurückzufordern. Solche Bescheide dienen multinationalen Unternehmen dazu, ihre Steuern zu minimieren, indem sie Gewinne aus einem Staat in ein anderes EU-Mitgliedsland verschieben, in dem die Besteuerung niedriger ist.
Minderung der Steuerlast
Im nun entschiedenen Fall ließ sich Fiat Chrysler Finance von den luxemburgischen Steuerbehörden eine Steuerberechnung genehmigen, die seine Körperschaftsteuerlast um 20 Mill. bis 30 Mill. Euro verminderte. 2015 stellte die EU-Kommission fest, dass dieser Steuervorbescheid eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe sei. Dagegen klagten sowohl Luxemburg als auch Fiat Chrysler. Diese Klagen wurden vom Gericht der Europäischen Union (EuG) im September 2019 abgewiesen. Die Freude der Kläger darüber währte allerdings nicht sehr lange, denn der estnische Generalanwalt Priit Pikamäe vom Europäischen Gerichtshof hielt dieses Urteil für falsch.
Limitierte Rechtsbefugnisse
Dem folgt der Gerichtshof in seinem Urteil. Die Europäische Union hat nur begrenzte Befugnisse im Steuerrecht – und die Luxemburger Richter stellen daher klar, dass es außerhalb von harmonisierten Bereichen ausschließlich die Mitgliedstaaten sind, die im Bereich der direkten Steuern aufgrund ihrer Steuerautonomie die grundlegenden Merkmale einer Steuer bestimmten. Deshalb dürfe ein möglicher Vorteil eines Unternehmens nur durch das jeweilige nationale Recht ermittelt werden, nicht aber nach anderen Maßstäben, wie sie die EU-Kommission in der strittigen Entscheidung anlegte.
Deshalb wird das Urteil des Europäischen Gerichts – also der ersten Instanz – aufgehoben. Denn es verstößt nach dem jetzt gesprochenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen die Zuständigkeitsverteilung in den Verträgen, die derzeit keine Harmonisierung im Steuerbereich vorsähen.