Schleppende Erholung am US-Häusermarkt

Eine neue Krise in diesem Sektor ist allerdings recht unwahrscheinlich

Schleppende Erholung am US-Häusermarkt

Von Peter De Thier, WashingtonDer US-Arbeitsmarkt boomt, die Wachstumsrate für 2018 wird sich trotz des schwachen Anfangsquartals bei über 3 % einpendeln, und Verbraucher, die wichtigste Stütze der weltgrößten Volkswirtschaft, strotzen vor Optimismus. Umso erstaunlicher sind die günstigen Aussichten für die amerikanische Wirtschaft, wenn man bedenkt, dass ein ehemals wichtiger Katalysator der konjunkturellen Erholung, nämlich der Häusermarkt, ins Stocken geraten ist.So unerklärlich auf den ersten Blick die temporäre Schwäche auch sein mag, geben Experten Entwarnung: Der Vorbote einer neuen Krise wie vor zwölf Jahren ist die tendenzielle Stagnation keineswegs. Vermutet werden vielmehr zyklische und teilweise auch politische Faktoren, deren Wirkung allmählich wieder verpuffen wird. Der robuste Arbeitsmarkt, steigende Einkommen und der geringere Schuldendienst bei Häuserkrediten, der auf den tiefsten Stand seit etwa 40 Jahren gefallen ist, könnten dem Markt für Eigenheime wieder neue Dynamik verleihen. Geringer ImmobilienbestandSeit Monaten sprechen die relevantesten Eckdaten Bände. Nach Stagnation im August sind im September die Verkäufe bestehender Eigenheime wieder gesunken und lagen um mehr als 4 % unter dem Niveau, das ein Jahr zuvor gemessen worden war. Die Baubeginne sind durchwachsen, und wie David Blitzer, der für den S&P-Corelogic- Case-Shiller-Häuserpreisindex verantwortliche Ökonom, feststellt, “sind die Wohnungsbauinvestitionen drei Quartale in Folge zurückgegangen”. Zwar weisen die Immobilienpreise weiterhin gesunde jährliche Steigerungsraten von über 5 % auf. Lawrence Yun, Chefvolkswirt beim Immobilienmaklerverband National Association of Realtors (NAR) weist allerdings darauf hin, dass der Bestand an Immobilien, die zum Verkauf angeboten werden und als erschwinglich einzustufen sind, “weiterhin sehr gering ist und maßgeblich zu den unterdurchschnittlichen Verkaufszahlen im ganzen Land beigetragen hat”.Neben zyklischen Komponenten fallen aber auch handels- und geldpolitische Faktoren ins Gewicht. So haben die von US-Präsident Donald Trump angeordneten Zölle auf importiertes Stahl sowie Abgaben auf Holzeinfuhren aus Kanada dazu beigetragen, dass Baumaterialien im vergangenen Jahr etwa 6 % teurer geworden sind. Fraglos hat das die Investitionsbereitschaft der Bauunternehmen gedämpft, die ohnehin schon mit geringeren Gewinnmargen zu kämpfen hatten.Folgen hat aber auch die mangelnde Verfügbarkeit von Bauland entfaltet. Wie in zahlreichen Großstädten zu beobachten ist, wollen immer mehr Menschen in dicht besiedelte Ballungszentren und direkt angrenzende Bezirke ziehen. Dort sind aber die Wohnungsbauregularien strikter geworden. Hinzu kommt, dass in den Städten unbebaute Grundstücke schwer zu finden sind. In Vororten der Hauptstadt Washington liegen die Wohnungs- und Häuserpreise teilweise schon über dem Niveau in der Innenstadt selbst.Hinzu kommt, dass die von der Notenbank beschlossenen Leitzinserhöhungen mittlerweile zu Buche schlagen. So liegt der Zins für ein Hypothekendarlehen mit 30-jähriger Laufzeit im Schnitt um etwa einen Prozentpunkt über dem Kreditzins, den Banken vor einem Jahr in Rechnung stellten. Bei einem Kredit von 500 000 Dollar macht das an jährlichen Zins- und Tilgungszahlungen einen Unterschied von über 3 300 Dollar aus.Zwar würden steigende Zinsen und höhere Preise derzeit noch viele Erstkäufer abschrecken, sagt Yun. Optimistisch stimmt ihn und andere Experten hingegen das konjunkturelle Umfeld. Wenn demnächst wieder mehr Eigenheime zum Verkauf angeboten werden sollten, “dann würde das stete Stellenwachstum mehr potenziellen Kunden den Hauskauf ermöglichen”. Preissteigerungen im RahmenSo verhalten die Zukunftsaussichten in der Branche auch eingeschätzt werden, sind Beobachter dennoch überzeugt, dass Vergleiche mit der Entwicklung im Vorfeld des Absturzes vor zwölf Jahren verfehlt sind. Zwar weist eine J.P.-Morgan-Studie, die sich auf die Jahre 2006 bis 2017 bezieht, darauf hin, dass einzelne Städte wie New York und San Francisco mit exorbitant hohen Preisen dem Risiko einer gewissen Preiskorrektur ausgesetzt sind. In geringerem Maße gelte dies auch für überdurchschnittlich teure Städte wie Washington, Seattle, Denver, Boston und Portland. Gleichwohl stellt der Bericht fest, dass nicht einmal dort dieselbe Kombination aus steigenden Preisen, wachsenden Schulden und Überangebot zu beobachten ist wie damals.Zum einen bewegen sich die Preissteigerungsraten heute noch innerhalb eines völlig angemessenen Rahmens, während bis 2006 sich in einigen Gegenden Preise binnen weniger Jahre mehr als verdoppelt hatten.Ein wichtiger Indikator ist laut Blitzer aber auch die Zahl der Zwangspfändungen, die damals eine Talsohle durchschritten und dann drei Jahre in Folge dramatisch anzogen. “Heute sind aber die Zahlungsausfälle bei Eigenheimbesitzern auf einem stabilen Niveau”, sagt Blitzer. Ohne einen Kollaps bei der Immobilienfinanzierung, der keineswegs in Sicht ist, “wäre ein Crash wie damals ein höchst unwahrscheinliches Szenario.