Schleppender Wahlkampf in Frankreich
Von Gesche Wüpper, Paris
Gerade mal zwölf Wochen sind es noch bis zur ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahl am 10. April. Und doch dominieren in französischen Medien Berichte im Zusammenhang zu Covid und Omikron. Der Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone hat begonnen, doch im Gegensatz zu früheren Wahlen ist er noch nicht das alles beherrschende Thema. Dabei gehe der Wahlkampf in Frankreich für die Wahlen des Staatsoberhauptes normalerweise drei Monate vorher richtig los, erklärt Chefökonom Bruno Cavalier von Oddo BHF.
Dieses Mal jedoch sei noch keine ordnungsgemäße Kampagne zu sehen, keine Gegenüberstellung von Projekten, die dazu bestimmt seien, die Richtung für die kommenden Jahre vorzugeben. Das liege daran, dass die Coronakrise und die damit verbundenen Kontroversen in den Medien nur wenig Platz für eine Bilanz des Mandats von Emmanuel Macron und eine Analyse der Programme seiner Gegner ließen, meint Cavalier. Dazu komme eine andere Besonderheit. Denn statt detaillierter Programme seien die Kandidaten dieses Mal dazu übergegangen, ihr Programm häppchenweise als Themenpakete vorzustellen.
Im Gegensatz zu 2017 wirbt diesmal kein Kandidat offensiv mit dem Ausstieg aus der EU um Stimmen. Das hatte vor fünf Jahren vor allem Marine Le Pen propagiert. Überhaupt tritt sie diesmal gemäßigter auf. In Eric Zémmour hat sie einen radikaleren Kontrahenten, der sie rechts überholt.
Zémmour fällt zurück
Noch hat Macron seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit nicht bekannt gegeben, doch in Umfragen liegt der scheidende Präsident seit Monaten vorn. Für die erste Wahlrunde am 10. April kann er demnach laut des täglichen Wahlbarometers von „Les Echos“ und „Radio Classique“ mit 24% der Stimmen rechnen. Wer gegen ihn in der Stichwahl am 24. April antreten würde, ist dagegen offen. Derzeit liefern sich Le Pen vom rechtsextremen Rassemblement National (RN) und die frühere Bildungs- und Budgetministerin Valérie Pécresse von den konservativen Republikanern ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
Dagegen ist der rechtsextreme, gerade erneut wegen Volksverhetzung verurteilte Moderator Zémmour, der mit hohen Umfragewerten im Herbst für eine Überraschung sorgte, in der Wählergunst zurückgefallen. Während Pécresse momentan auf 18% und Le Pen auf 17% der Stimmen hoffen können, werden ihm für die erste Runde 13% vorhergesagt. Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon von La France Insoumise, der bei den letzten Präsidentschaftswahlen mit 19,58% der Stimmen in der ersten Runde nur ganz knapp hinter dem drittplatzierten François Fillon von den Republikanern lag, kommt in Umfragen derzeit auf 9%.
Die anderen Kandidaten spielen dagegen bisher so gut wie keine Rolle. Weder die sozialistische Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, noch Christiane Taubira, die frühere Justizministerin von Ex-Präsident François Hollande, noch Yannick Jadot von den Grünen scheinen ernsthafte Chancen zu haben. Ihre Kandidaturen spiegeln den Zustand der linken Opposition wider, die sich nicht auf einen gemeinsamen Bewerber einigen konnte. Angesichts dessen hat Ex-Wirtschaftminister Arnaud Montebourg gerade einen Rückzieher gemacht.
Trügerische Umfragen
Noch allerdings kann eine Menge passieren, wie ein Blick auf die Präsidentschaftswahlen 2017 zeigt. Damals lag Ex-Premier Fillon lange in den Umfragen vorn, bis er über eine Scheinbeschäftigungsaffäre stolperte. 2002 wiederum lag der damalige Premier Lionel Jospin in Umfragen vorn, doch in die Stichwahl kam Jean-Marie Le Pen, weil viele Wähler der sozialistischen Regierung in der ersten Wahlrunde einen Denkzettel verpassen wollten.
Die große Unbekannte ist diesmal die Wahlbeteiligung. 2017 enthielten sich in der ersten Runde 22%, in der zweiten 25%. Laut einer neuen Umfrage sind derzeit nur 69,5% der Wähler sicher, bei den wichtigsten Wahlen Frankreichs im April auch tatsächlich abstimmen zu wollen.