DEBATTE ÜBER DAS GRUNDEINKOMMEN FÜR ALLE - IM INTERVIEW: CHRISTOPH M. SCHMIDT

"Schlichtweg nicht finanzierbar"

Der Vorsitzende des Sachverständigenrats warnt vor einem Grundeinkommen

"Schlichtweg nicht finanzierbar"

Seit 2009 ist Christoph M. Schmidt Vorsitzender des Sachverständigenrats, wo er die Bereiche Arbeitsmarkt- und Energiepolitik betreut. Der Präsident des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung war zwischen 2011 und 2013 zudem Mitglied einer Kommission zu Wohlstandsverständnis und -messung im Bundestag. Im Interview der Börsen-Zeitung geht er mit dem Grundeinkommen hart ins Gericht.- Herr Professor Schmidt, die Diskussion über das bedingungslose Grundeinkommen ist angesichts der Pläne der neuen Regierung in Italien auch in Deutschland wiederbelebt worden. In der Bundesrepublik fordern demgegenüber einige SPD-Politiker eine abgeschwächte Variante, das solidarische Grundeinkommen. Können Sie die zwei Begriffe kurz voneinander abgrenzen?Beim bedingungslosen Grundeinkommen und beim solidarischen Grundeinkommen geht es um zwei völlig unterschiedliche Konzepte, die in der Diskussion nicht vermischt werden sollten. Das bedingungslose Grundeinkommen sieht gleiche Leistungen für alle Personen vor. Das solidarische Grundeinkommen hingegen würde lediglich für einen Teil der Langzeitarbeitslosen, also einer eng abgegrenzten und vergleichsweise kleinen Gruppe von Empfängern, Leistungen vorsehen.- Wie bewerten Sie diese Konzepte?Das aktuell diskutierte solidarische Grundeinkommen erinnert stark an die Bemühungen in den 1990er und 2000er Jahren, als mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen versucht wurde, der Arbeitslosigkeit Herr zu werden. Die Ergebnisse waren mehr als ernüchternd: Vor allem hatten Teilnehmer an diesen Maßnahmen danach sogar eine tendenziell geringere Chance, Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt zu finden, als vergleichbare Nichtteilnehmer. Die vorgeschlagene Rückkehr zu einem “sozialen”, ergo: staatlich finanzierten Arbeitsmarkt dürfte daher die Langzeitarbeitslosen eher vom ersten Arbeitsmarkt wegführen. Ein vielversprechenderer Weg dürfte sein, sie individuell zu beraten, bedarfsgerecht zu fördern und intensiv zu betreuen.- Für wie realistisch halten Sie eine Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens in Deutschland? Wäre das eine Alternative zum viel kritisierten Hartz IV?Das bedingungslose Grundeinkommen ist bei nüchterner Betrachtung schlichtweg nicht finanzierbar. Seine Befürworter verlieren regelmäßig aus dem Blick, dass seine allumfassende Natur Veränderungen im gesamten Wirtschaftsgeschehen auslösen dürfte.- Welche wären das?Es geht vor allem darum, dass uns die Betrachtung der Lebenswirklichkeit zeigt, dass Menschen in erheblichem Maße auf Anreize reagieren und dass man deswegen nicht davon ausgehen darf, die Verfügbarkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens ließe den gesamtwirtschaftlichen Arbeitseinsatz unberührt.—-Die Fragen stellte Carina Iris Kautz.