Schmerzhaftere Phase der Globalisierung

WTO warnt vor Anti-Handelsrhetorik

Schmerzhaftere Phase der Globalisierung

hip London – Die Globalisierung hat sich ungeachtet aller Rhetorik gegen den weltweiten Handel im vergangenen Jahr unvermindert fortgesetzt. “In vielen Ländern erhebt sich das Gespenst des Protektionismus”, sagte Roberto Azevedo, der Chef der Welthandelsorganisation WTO, auf dem World Trade Symposium 2016 in London, einer von “Financial Times” und dem IT-Unternehmen Misys ausgerichteten Konferenz. Lediglich ein Viertel der in der Finanzkrise weltweit eingeführten restriktiven Maßnahmen sei mittlerweile wieder aufgehoben worden. Käme die Globalisierung jedoch zum Erliegen, würde der Anteil des Handels mit Komponenten am Welthandel schrumpfen. Dem sei aber nicht so. Die Mengen seien zwar zurückgegangen, die Muster seien jedoch gleichgeblieben. Die WTO rechne mit einer Erholung des Welthandels, aber nicht damit, dass dessen Wachstum die Spitzenwerte der Vergangenheit wieder erreichen wird. “Die neue Normalität ist nicht normal, die alte war es aber auch nicht”, sagte Azevedo.”Wenn ich mir die Realität ansehe, gibt es nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste”, sagte der ehemalige EU-Handelskommissar Pascal Lamy. Die Expansion der globalen Beschaffungskette habe sich verlangsamt. Sie kehre sich aber nicht um. Die Digitalisierung sei ein enormer Faktor, der in den Zahlen nicht auftauche. Der Wert der riesigen Datenmengen, die um den Globus huschten, werde nirgendwo aufgeführt. “Diese Phase der Globalisierung ist schmerzhafter, weil sie so effizient ist.” Die Menschen litten aber nicht unter dem Handel, sondern unter der technologischen Entwicklung, den sich verändernden Gewohnheiten der Verbraucher. “Aber der Handel ist anthropologisch sichtbar, denn er wird von Ausländern betrieben”, sagte Lamy.Die Antihandelsrhetorik sei allgegenwärtig, ob im US-Präsidentschaftswahlkampf, bei den Protesten gegen TTIP in Deutschland oder bei der UK Independence Party. Tatsächlich müsse das System angepasst werden. Jeder erkenne, dass die Ungleichheit zugenommen habe. Aber diese Ungleichheit werde nicht von der Globalisierung hervorgebracht, sondern von der Transformation der Produktionsprozesse.