KOMMENTAR

Schneckentempo statt Schweinsgalopp

Der Zinsanhebungszyklus der US-Notenbank hat noch nicht einmal richtig begonnen, da hängt er schon in einer mehr als halbjährigen "Pause" fest. Der Arbeitsmarktbericht für Mai sollte Klarheit bringen, ob die Fed Mitte Juni in ihrer...

Schneckentempo statt Schweinsgalopp

Der Zinsanhebungszyklus der US-Notenbank hat noch nicht einmal richtig begonnen, da hängt er schon in einer mehr als halbjährigen “Pause” fest. Der Arbeitsmarktbericht für Mai sollte Klarheit bringen, ob die Fed Mitte Juni in ihrer Offenmarktausschuss-Sitzung die Zinsen anheben wird oder nicht – und zumindest diesbezüglich hat er nicht enttäuscht. Lediglich 38 000 neue Stellen sind im Mai entstanden – der schwächste Stellenzuwachs seit September 2010. Zwar wurden um einen Streik bei Verizon bereinigt mehr als 70 000 Jobs geschaffen – doch auch dies ist eine herbe Enttäuschung. Hinzu kommt, dass der Stellenzuwachs der beiden vorangegangenen Monate nachträglich um immerhin fast 60 000 nach unten korrigiert werden musste.Die Fed hatte in ihrer April-Sitzung noch zum Ausdruck gebracht, dass eine Zinsanhebung im Juni möglich sei, wenn die Arbeitsmarktsituation sich im Laufe des Quartals weiter bessere. Nun ist das Gegenteil eingetreten. Dem US-Jobmotor geht zunehmend die Luft aus. Argumente für eine Zinsanhebung würden selbst die Falken im Offenmarktausschuss kaum mit der Lupe finden. Stellenzuwächse gab es in der Gesundheitsbranche und im öffentlichen Dienst – nicht gerade Sektoren die dafür bekannt sind, schnell auf Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu reagieren. Dafür sank die Stellenzahl im Bergbau, in der Baubranche und in der Industrieproduktion. Das unerwartet deutliche Absinken der Arbeitslosenquote von 5,0 auf 4,7 % dient auch nicht als Argument, da lediglich die Partizipationsrate um 0,2 Prozentpunkte zurückgegangen ist.An der Terminbörse in Chicago wird die Chance einer Juni-Zinsanhebung seit Freitag nur noch auf 6 % beziffert. Selbst an eine Anhebung Ende Juli glaubt mittlerweile nur noch gut ein Drittel der Investoren, so dass der Mehrheit der Anleger derzeit September als wahrscheinlich nächster Anhebungstermin gilt.Dass viele Ökonomen angesichts dessen noch immer mit zwei bis drei Zinserhöhungen im laufenden Jahr rechnen, ist auch dem Optimismus der Fed-Mitglieder selbst geschuldet, die in ihren Projektionen wie schon seit Jahren zu rosige Bilder der künftigen Entwicklung malen. Derzeit spricht wenig dafür, dass es im zweiten Halbjahr plötzlich so gut läuft, dass die US-Notenbanker bei ihrem Zinsanhebungskurs abrupt vom Schneckentempo in den Schweinsgalopp überwechseln. Im besten Fall ist der langfristige Trend moderater Verbesserungen am US-Arbeitsmarkt auch im Mai erneut nicht durchbrochen worden. Im schlechtesten Fall ist er dies – allerdings in die falsche Richtung.