Schwarz-Rot ernüchtert Wirtschaft - Mehr Sozialausgaben belasten Budget

Merkel setzt trotz Mindestlohn auf Vollbeschäftigung - BDI: Stillstand statt Aufbruch

Schwarz-Rot ernüchtert Wirtschaft - Mehr Sozialausgaben belasten Budget

ge/wf Berlin – Der gestern in Berlin unterzeichnete Koalitionsvertrag einer schwarz-roten Bundesregierung stößt in der Wirtschaft auf Kritik und Skepsis. Die Vereinbarung mit dem Titel “Deutschlands Zukunft gestalten” sei eine “vertane Chance für Deutschlands Zukunft”, urteilt der Industrieverband BDI. Er sende das Signal “Stillstand statt Aufbruch”, kritisiert BDI-Präsident Ulrich Grillo. Der Bankenverband BdB moniert, unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit sei es nicht leicht, die neuen Sozialleistungen zu verantworten. Fachleute schätzen die Kosten der anvisierten Rentenleistungen auf einen dauerhaften jährlich zweistelligen Milliardenbetrag zulasten der Rentenkasse.Die künftige Koalition will von 2015 an ohne Nettoneuverschuldung im Bundeshaushalt auskommen. Zudem werde es keine Steuererhöhungen geben, auch keine indirekten, versprach CSU-Chef Horst Seehofer. Zusätzliche Gelder für Bildung und Forschung sowie Kindertagesstätten und die öffentliche Verkehrsinfrastruktur schlagen den Plänen zufolge in dieser Legislaturperiode mit Mehrausgaben von “lediglich” 23 Mrd. Euro zu Buche, wird versichert – woran nicht einmal die Fachpolitiker des neuen Bündnisses glauben. Entsprechend kritisierte die Opposition, die Vorhaben seien nicht gegenfinanziert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) räumte ein, es sei darauf zu achten, dass die neuen Rentenleistungen das System in Zukunft nicht überforderten.Ziel der Koalition seien gute und produktive Arbeitsplätze. “Vollbeschäftigung, das kann ein realistisches Ziel für Deutschland sein”, sagte Merkel. Vereinbart wurde ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro je Stunde von 2015 an. Da Branchentarifverträge mit größeren Gewerkschaften auch bei Stundenlöhnen unter 8,50 Euro bis Ende 2016 weiter gelten sollen, tritt der bundesweit allgemeingültige Mindestlohn erst von 2017 an in Kraft. Darüber hinaus beschlossen die Koalitionäre in spe, den Ökostrom-Ausbau zu drosseln sowie zusätzlich 5 Mrd. Euro in dieser Legislaturperiode in den Ausbau von Straßen und Schienen zu investieren. Schon 2014 soll eine europarechtsfeste Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen eingeführt werden.Zuvor hatten die Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD den Vertrag für die zweite große Koalition unter Kanzlerin Merkel unterschrieben. Wenn die SPD-Mitglieder der Vereinbarung in den nächsten zwei Wochen zustimmen, kann die schwarz-rote Regierung in der Woche vor Weihnachten vereidigt werden.Während Merkel bei der Vorstellung des Vertrags auch auf Kröten verwies, die bei der Kompromisssuche zu schlucken waren, lobte SPD-Chef Sigmar Gabriel das Abkommen, das in puncto Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik im Einklang mit den Gewerkschaften erarbeitet worden sei. “Der Koalitionsvertrag ist für die kleinen Leute geschrieben”, warb der Parteichef um die Zustimmung der SPD-Mitglieder – “ich bin zuversichtlich, dass der Vertrag eine breite Mehrheit findet”. Bis zum Ausgang des SPD-Votums sollen sowohl der Zuschnitt der Ministerien als auch deren Besetzung geheim bleiben. Verweigert sich die SPD-Basis der großen Koalition, drohen womöglich Neuwahlen.—– Schwerpunkt Seite 7- Leitartikel Seite 8