"Schweden ist eben doch nicht Italien"

Populisten könnten bei Wahl am kommenden Sonntag gewinnen, aber nicht das System aushebeln

"Schweden ist eben doch nicht Italien"

Von Archibald Preuschat, FrankfurtAm kommenden Sonntag werden rund 7,3 Millionen Schweden zu den Urnen gerufen. Es könnte eine historische Wahl werden. Denn auch in dem skandinavischen Land sind die Populisten auf dem Vormarsch. Dass es zu einem Systemwechsel kommt, der gar in einen Austritt der Schweden aus der Europäischen Union (EU) mündet, halten Beobachter allerdings für ausgeschlossen.Sverigedemokraterna, die Schwedendemokraten, könnte man grob als das Pendant der Alternative für Deutschland (AfD) bezeichnen. Die bereits 1988 gegründete Partei steht für Rechtspopulismus, Nationalismus, Nationalkonservatismus und eben EU-Skepsis. Seit 2010 sitzen die Schwedendemokraten, deren Vorsitzender seit 2005 Jimmie ûàkesson ist, im schwedischen Reichstag. Bei der vergangenen Wahl vor vier Jahren kamen sie auf 12,9 % der Stimmen.Dabei wird es am kommenden Sonntag wohl nicht bleiben. Je nach Umfrage werden den Schwedendemokraten 16,3 % bis gar 24,0 % der Stimmen vorhergesagt. In letzterem Szenario würde die Partei als stärkste Fraktion aus der Wahl hervorgehen – noch vor der sozialdemokratischen Sveriges socialdemokratiska arbetareparti (SAP), die mit ihrem Parteivorsitzenden Stefan Löfven auch den Ministerpräsidenten des Landes stellt. In Schweden sind die Sozialdemokraten eine parlamentarische Institution. Seit 1917 erhielten sie bei allen Reichstagswahlen die meisten Stimmen und stellten ab 1923 während des längsten Zeitraums des 20. Jahrhunderts den schwedischen Ministerpräsidenten. Sozialdemokraten unter DruckDie SAP, die derzeit mit den Grünen, der Miljöpartiet de Gröna, eine Minderheitsregierung stellt, erreichte bei der Reichstagswahl 2014 mit 31,0 % der Stimmen ihr zweitschwächstes Ergebnis seit 1920. Die jüngsten Umfragen sehen die SAP am kommenden Sonntag nur noch bei 26,5 % bis im negativsten Szenario 22,1 % der Wählerstimmen. Was erst einmal nach Zeitenwende klingt, wird faktisch dann doch wenig ändern, davon ist Esther Reichelt, Devisenanalystin bei der Commerzbank, überzeugt: “Die Wahl am 9. September wird sicherlich eine turbulentere, aber an der grundsätzlichen Ausrichtung dann doch nichts ändern, da alle Parteien angekündigt haben, nicht mit den Schwedendemokraten zusammenarbeiten zu wollen.” “Denkbar wäre auch eine große Koalition aus SAP und der Moderaten Sammlungsbewegung”, meint Reichelt, denn “Schweden sei eben doch nicht Italien”. Große Koalitionen sind in Schweden weitestgehend unüblich, von anderen Parteien geduldete Minderheitsregierungen wiederum politischer Alltag.Zwar haben die Schwedendemokraten auch ein Referendum über den Verbleib des Landes in der EU auf ihre Agenda gesetzt, dass es aber zu diesem Referendum kommt, hält Reichelt für “faktisch ausgeschlossen”. Schweden hat, gemessen an seiner Bevölkerung von rund 10 Millionen Einwohnern, mehr Flüchtlinge aufgenommen als jedes andere Land in Europa, zumeist aus Syrien und dem Irak. Seit 2013 zählte Schweden mehr als 350 000 Asylsuchende und erteilte knapp 200 000 Aufenthaltsbewilligungen. Auch die noch stärkste Fraktion der Sozialdemokraten nimmt sich des Themas an, zumal nach einer Umfrage des schwedischen Meinungsforschungsinstituts Novus die Wähler vor allem drei Dinge interessieren: die Gesundheitsversorgung, die Immigrationsfrage und das Schulwesen. “Reich und diversifiziert”Der Außenblick auf das skandinavische Land ist ein ganz anderer: “Schwedens Wirtschaft ist reich, wettbewerbsfähig und diversifiziert, was Risiken aus einer zersplitterten politischen Landschaft im Umfeld der Parlamentswahlen abfedert”, schrieb die Ratingagentur Standard and Poor’s, die am vergangenen Freitag die Bestnoten-Ratings “AAA/A-1+” des skandinavischen Landes ebenso wie den Ausblick “stabil” bestätigte. Wirtschaftlich geht es den Schweden, deren wichtigster Handelspartner Deutschland ist (siehe Grafik), immer noch gut. Das Bruttoinlandsprodukt soll in diesem Jahr um 2,6 % nach 2,4 % im Vorjahr und 2019 immer noch um 2,2 % wachsen. Das ist besser als in Deutschland, wo das BIP nach 2,2 % im Vorjahr in diesem Jahr nach Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung noch um 1,9 % und im kommenden Jahr dann um 1,7 % steigen soll.Aber diese Sachargumente scheinen auch in Schweden zu verhallen. Wie Reichelt feststellt, “sehen wir wie in den USA oder beim Brexit auch in Schweden Kampagnen in sozialen Medien, die Wähler in die Arme der Populisten treiben sollen. Während die Wahl zum Reichstag Schweden verändern wird, dürfte der für den heutigen Mittwoch anstehende Zinsentscheid der Riksbank wenig Neues bringen. Analysten sind sich weitgehend einig, dass der Schlüsselsatz bei -0,50 % verharren wird.—– Bericht Seite 13