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So lange wie Shinzo Abe war noch kein Japaner Premier

Von Martin Fritz, Tokio Börsen-Zeitung, 27.8.2019 Shinzo Abe, in knapp einem Monat 65 Jahre alt, regiert nun länger als jeder andere Premier Japans seit dem Zweiten Weltkrieg. Am vergangenen Samstag war Abe 2 798 Tage im Amt, wenn man seine erste...

So lange wie Shinzo Abe war noch kein Japaner Premier

Von Martin Fritz, TokioShinzo Abe, in knapp einem Monat 65 Jahre alt, regiert nun länger als jeder andere Premier Japans seit dem Zweiten Weltkrieg. Am vergangenen Samstag war Abe 2 798 Tage im Amt, wenn man seine erste Amtszeit von 2006 bis 2007 und die sechs Jahre und acht Monate der laufenden Periode seit Ende 2012 addiert. Mit diesen insgesamt knapp acht Jahren überholte der nationalkonservative Politiker den bisherigen Rekordhalter Eisaku Sato, seinen Großonkel.Abes lange Zeit an der Macht beendete auch die Drehtürpolitik im Premierministeramt. 17 Politiker hatten sich dort seit 1989 die Klinke in die Hand gegeben – ein Ausdruck der schwierigen Umbruchphase nach dem Aufstieg zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt.Allerdings kann Abe bei seinen vorzeigbaren Leistungen dem Vergleich mit seinem Verwandten nicht standhalten. So erhielt Sato 1974 den halben Friedensnobelpreis für Japans Unterschrift unter den Nichtverbreitungspakt für Atomwaffen, verhandelte die Rückgabe von Okinawa unter japanische Hoheit und hob die Asian Development Bank mit aus der Taufe. Unter Abe erlebte Japan den zweitlängsten Konjunkturaufschwung der Nachkriegszeit sowie den Abschluss bedeutender Freihandelsverträge mit den Pazifik-Anrainer-Staaten und der Europäischen Union.Trotz starken Widerstandes verschaffte Abe den japanischen Streitkräften mehr Handlungsspielraum, aber die von ihm angestrebte Verfassungsreform weg vom Pazifismus kam nicht voran. Auch die größten außenpolitischen Projekte blieben stecken, darunter der erhoffte Friedensvertrag mit Russland und die Aufklärung des Schicksals von nach Nordkorea entführten Japanern. Doch Abe und Sato teilen sich einen Erfolg: In ihre Regierungszeit fielen jeweils Olympische Sommerspiele in Japan – falls der jetzige Amtsinhaber wie erwartet bis Sommer 2021 weiter regieren wird. Nicht ohne SkandaleJapanische Medien machten anlässlich des Rekords auf die Skandale während der zweiten Amtszeit von Abe aufmerksam: erstens der Verkauf von öffentlichem Land zum Niedrigpreis für eine nationalistische Schule mit Abes Ehefrau als Ehrendirektorin sowie nachträglich geänderten Dokumenten, zweitens die jahrelange Manipulation von Lohndaten durch Beamte.Doch die schwache und zerstrittene Opposition konnte diese Steilvorlage nicht verwandeln. Bei der Oberhausteilwahl im Juli zog sie erneut den Kürzeren. Daher dürfte Abe bald auch der japanische Premierminister mit der längsten Regierungszeit werden. Im November würde Abe den bisherigen Titelinhaber Taro Katsura ablösen.