Ökonomen zur Wahl in Frankreich

Sorge vor neuer Schulden- und Euro-Krise

Auf der Suche nach Mehrheiten für eine neue Regierung in Paris dürfte die Haushaltspolitik immer weiter im Schuldensumpf versinken, warnen Ökonomen.

Sorge vor neuer Schulden- und Euro-Krise

Sorge vor neuer Schulden- und Euro-Krise

Ökonomen erwarten schwere Konflikte mit der EU

lz Frankfurt

„Der Staatshaushalt droht in allen erdenklichen Szenarien der große Verlierer zu werden“, fasst Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, die Kernsorge der Ökonomen im Hinblick auf die zweite Runde der französischen Parlamentswahlen zusammen. Zwar wurden die schlimmsten Befürchtungen nicht wahr, dass etwa der rechtsextreme Rassemblement National (RN) oder das linke Sammelbündnis Neue Volksfront eine Mehrheit auf sich vereinigen kann. Denn in beiden Fällen wäre entweder durch eine Anti-EU-Politik oder durch wirtschaftliche Abschottung sowie massivste Ausgaben- und Steuererhöhungen die Wirtschaft abgewürgt worden. Doch auch in der „Stunde der Kompromisse“, wie Daniel Lenz von der DZ Bank formuliert, dürfte sich in Paris und Brüssel eine finanzpolitische Krise anbahnen.

Brüssel ausgebremst

„Europa steuert auf sehr schwere Konflikte und Entscheidungen um die Finanzpolitik zu“, erwartet auch ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann. Der reformbereite und europafreundliche Präsident Emmanuel Macron werde in seinen Handlungsmöglichkeiten zunehmend eingeengt. Das erschwere auch Brüssel Problemlösungen in jeglicher Hinsicht. Vor allem werde es „sehr konkrete Folgen für den nächsten EU-Finanzrahmen haben“, meint Heinemann. Eine ambitionierte Ausdehnung des EU-Haushalts habe angesichts der deutsch-französischen Uneinigkeit „kaum noch Chancen“.

Auch neue EU-Schulden dürften jetzt vom Tisch sein. Denn es sei „kaum denkbar, dass eine deutsche Bundesregierung die Finanzpolitik eines in den Fiskal-Populismus abdriftenden Frankreichs über noch höhere deutsche EU-Garantien absichern würde, ohne vom Wähler abgestraft zu werden“.

Bernd Weidensteiner und Ralph Solveen von der Commerzbank haben aufgelistet, welche Ausgabenpläne etwa die Neue Volksfront hat. Und selbst wenn sich nur ein Teil davon auf der Kompromisssuche in einem Regierungsprogramm wiederfindet, wären die Auswirkungen enorm: Innerhalb von 15 Tagen in einer Regierung würde die Volksfront die Rentenreform zurücknehmen, die Renten sowie das Wohngeld insgesamt erhöhen, Preisgarantien für die Bauern ausrufen und die Energie- und Lebensmittelpreise einfrieren. Innerhalb von 100 Tagen würden dann für höhere Einkommen und Vermögen die Steuern angehoben, die Stellen im öffentlichen Dienst ausgeweitet und neue Energiesubventionen verabschiedet. Das alles käme auf 125 Mrd. Euro an Mehrkosten. Von den Folgen einer EU-feindlichen, auf Abschottung ausgerichteten Außen- und Wirtschaftspolitik ganz abgesehen.

Probleme am Standort F

Das würde die ohnehin prekäre Lage des Landes noch weiter verschlimmern. Schon seit geraumer Zeit verliert der Standort trotz einzelner Erfolge etwa im Bereich der künstlichen Intelligenz immer mehr an Wettbewerbsfähigkeit. Im IMD-Standortranking liegt Frankreich nur noch auf Platz 31 – deutlich hinter Deutschland (Platz 24) und Großbritannien (Platz 28). Und die geplanten Steuererhöhungen würden Investoren noch mehr abschrecken.

Angesichts der Tatsache, dass die Schuldenquote Frankreichs 100% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) längst übersteigt und der fiskalische Bewegungsspielraum durch den Schuldendienst bereits erheblich eingeschränkt wird, lässt sich leicht ausrechnen, dass die Marktteilnehmer neue Schuldtitel zur Finanzierung der unmittelbaren Mehrausgaben nur noch mit hohen Risikoaufschlägen abnehmen würden. Die anhängigen sozialpolitischen Versprechungen würden die fiskalische Tragfähigkeit dann weiter unterminieren, wodurch es zu einem Anlegerstreik kommen könnte, warnen die Ökonomen. Damit würde eine Refinanzierung unmöglich, das Land müsste von der EZB abgeschirmt werden. Die nächste Euro-Krise wäre da.

Nach Ansicht von ZEW-Ökonom Heinemann könnte das sogar Auslöser einer globalen Schuldenkrise werden und hätte das Zeug, „den Euro zu zerstören“. Angesichts dessen könne eine linkspopulistische Finanzpolitik sogar auf Duldung durch die EZB hoffen. Heinemann: „Kommission und EZB müssen sich jetzt den Vorwurf gefallen lassen, durch die laxe und politisierte Auslegung des Stabilitätspakts und durch die Zinsgarantien auch für Hochschulden-Staaten zur Wahl von Populisten an beiden Rändern des Spektrums ermutigt zu haben.“

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