Sorgen um Italien wachsen

Regierungsbildung lässt auf sich warten - Finanzmärkte alarmiert

Sorgen um Italien wachsen

Die Regierungsbildung in Italien zieht sich weiter hin. Staatspräsident Sergio Mattarella hat sich Bedenkzeit ausbedungen. Ob er dem Vorschlag der Populisten von Lega und Movimento 5 Stelle (M5S) zustimmt, den Universitätsprofessor Giuseppe Conte zum Regierungschef zu ernennen, blieb am Dienstag unklar. Angeblich ist ein Rückzug Contes nicht ausgeschlossen.bl Mailand – Die stockende Regierungsbildung in Italien, Sorgen um bekannt werdende Details aus dem Regierungsprogramm sowie das Rätselraten um offene Posten sorgen für wachsende Spannungen an den dortigen Finanzmärkten. Hinzu kommen Warnungen aus Paris, Berlin und Brüssel. Die Börse in Mailand ist seit Tagen auf Talfahrt, stabilisierte sich aber am Dienstag. Der Spread zwischen zehnjährigen deutschen und italienischen Staatsanleihen stieg innerhalb von zwei Wochen von 124 auf bis zu knapp 190 Basispunkte. Am Mittwoch pendelte er um die 180 Basispunkte. Die Ratingagentur Fitch warnt: Sollte das Regierungsprogramm der beiden Parteien umgesetzt werden, drohe ein drastischer Anstieg der Verschuldung und eine Herabstufung des Landes. Staatspräsident Sergio Mattarella ist in den Augen Europas der letzte Anker der Stabilität angesichts der wahrscheinlichen Bildung einer europafeindlichen Regierung. Er will keinen reinen Erfüllungsgehilfen der Parteichefs Matteo Salvini (Lega) und Luigi Di Maio (M5S) als Premierminister akzeptieren. Mattarella soll in ständigem Kontakt mit EZB-Präsident Mario Draghi stehen.Die Umsetzung des Regierungsprogramms der beiden Parteien, deren Mitglieder dem Programm zugestimmt haben, würde Defizit und Verschuldung des Landes deutlich nach oben treiben. Experten schätzen die Kosten auf jährlich mehr als 100 Mrd. Euro. Unterdessen verhandelten die beiden Parteiführer über die Besetzung der Ministerämter. Während Salvini das Amt des Innenministers anstrebt, möchte Di Maio offenbar Minister für wirtschaftliche Entwicklung werden. Heikel ist die Besetzung des Wirtschaftsministeriums. Als Favorit gilt Paolo Savona. Der 82-Jährige gehört zwar dem Establishment an und war schon Industrieminister, ist aber extrem europa- und deutschfeindlich. Kritik aus dem AuslandItalien will alle europäischen Verträge neu verhandeln und spielt mit dem Gedanken an ein Referendum zum Euro. Die Kritik aus dem Ausland wächst. Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire sieht die Stabilität der Eurozone bedroht. Der haushaltspolitische Sprecher der CDU, Eckhardt Rehberg, warnt vor einem Kurswechsel des Landes: “Italien spielt mit dem Feuer und bringt die Eurozone in Gefahr”, sagte er der dpa. Sehr besorgt ist auch der Wirtschaftsrat der CDU. “Was sich in Italien anbahnt, hat das Potenzial, zum Endspiel um den Euro zu werden”, fürchtet Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates. “Italien ist ein Paradebeispiel dafür, wohin die europäische Rettungspolitik der Risikoteilung führt” und was passiere, wenn Handlung und Haftung auseinanderfielen, meint Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates. Nicht viel anders klingt die AfD, deren Partei- und Fraktionsvorsitzender Alexander Gauland das Programm der italienischen Koalitionspartner als “letzten Sargnagel einer von Anfang an fehlkonstruierten Währungsunion” sieht. Achim Post, Stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, erinnerte Italien an seine Verpflichtungen. “Jetzt erst recht gilt es, für europäischen Fortschritt zu kämpfen.” Paris und Berlin müssten “zusammen mutige Vorschläge für eine Reform der EU vorlegen”.Die Ratschläge stoßen indes bei den Hauptakteuren auf taube Ohren. Sowohl Salvini als auch Di Maio verbitten sich “inakzeptable Einmischungen” aus Frankreich und Deutschland. Die Kritiker sollten sich um ihre eigenen Länder kümmern.—– Personen Seite 16