Sozialpolitische Initiative der EU-Kommission

Vorschlag für bessere Work-Life-Balance - Viel Kritik

Sozialpolitische Initiative der EU-Kommission

ahe Brüssel – Die EU-Kommission hat ein ganzes Bündel an Initiativen veröffentlicht, die zu neuen sozialen Mindeststandards in Europa führen sollen. Die Brüsseler Behörde veröffentlichte 20 Grundsätze für die künftige Sozialpolitik, in denen es um Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang, faire Arbeitsbedingungen sowie Sozialschutz geht. Die Grundsätze, die im Wesentlichen die aktuelle Gesetzeslage bündeln, sollen verbindlichere Standards für die Eurozone bieten. Konsultationen zur Richtlinie über die Unterrichtung der Arbeitnehmer sowie zum Zugang zu Sozialschutz wurden eingeleitet. Die Arbeitszeitrichtlinie wurde präzisiert.Als einzige konkrete neue Gesetzesinitiative legte die EU-Kommission einen Vorschlag zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben vor, der für die ganze EU gelten soll. Es geht um mehr Rechte für berufstätige Eltern. So sollen Mütter und Väter ein Anrecht auf jeweils mindestens vier Monate Elternzeit und ein Recht auf Teilzeit und Rückkehr in eine volle Stelle bekommen. Die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben soll künftig auch im Zuge des Europäischen Semesters überprüft werden. Die EU geht davon aus, dass geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Beschäftigung aktuell Kosten von 370 Mrd. Euro verursachen (2,8 % des EU-BIP).Die “Stärkung der europäischen Säule sozialer Rechte”, wie sie von der Brüsseler Behörde verkündet wurde, zog von vielen Seiten und aus unterschiedlichen Gründen scharfe Kritik an. Der BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter bezeichnete das Hunderte Seiten umfassende Paket als ein “Dokument des Aktionismus und der bürokratischen Selbstüberschätzung”. Eine europäische Direktive zur sogenannten Work-Life-Balance erreiche keine Verbesserung dieser Bilanz, sondern entfremde die Menschen von Europa, so Kampeter. Wieder einmal mache die EU Versprechungen, die nur auf nationaler Ebene sinnvoll realisiert werden könnten.Der europäische Wirtschaftsverband Businesseurope verwies darauf, dass mit dem Vorstoß der EU-Kommission autonome Verhandlungen zwischen Sozialpartnern in Europa gefährdet würden. Zudem sei es paradox, dass die Kommission die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen in den Mitgliedstaaten einfordere und zugleich jetzt unfinanzierte zusätzliche Sozialausgaben vorschlage. Der CSU-Finanzexperte Markus Ferber erklärte, die EU-Kommission versuche einmal mehr, Kompetenzen für Themen an sich zu reißen, für die sie weder durch die Europäischen Verträge noch durch die Europäische Sozialcharta ein Mandat habe. Die Behörde werde aber “keinen Freifahrtschein für eine Sozialunion” erhalten.Ganz anders argumentierten Grüne und Linke, die von einer “verpassten Chance” sprachen, da die Vorschläge ihrer Ansicht nach nicht weit genug gehen. Enttäuscht äußerte sich auch die SPD-Europaabgeordnete Jutta Steinruck. Die 20 Grundsätze seien vor allem eine Zusammenfassung bereits bestehender EU-Sozialgesetzgebung, die zudem nur für die Eurozone verbindlich sein sollten. Neue Gesetze, die das Leben der Menschen in Europa spürbar verbesserten, suche man vergebens.Matthias Dauner vom Centrum für Europäische Politik (cep) verwies darauf, dass der Vorschlag der Kommission vor dem Hintergrund der Stichwahl in Frankreich gesehen werden sollte: “Mit dieser Charme-Offensive will die EU-Kommission zeigen, dass die EU mehr als nur Austeritätspolitik sein kann.”