Coronakrise

Spahn kündigt Wende in der Corona-Politik an

Bei steigenden Infektionszahlen sinkt das Impftempo in Deutschland. Gewerkschaften und Arbeitgeber rufen in einem gemeinsamen Appell die Menschen zur Impfung auf. Die Regierung will derweil das Infektionsschutzgesetz überarbeiten.

Spahn kündigt Wende in der Corona-Politik an

BZ Frankfurt

Die Corona-Politik der Bundesregierung steht vor einer entscheidenden Wende. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kündigte am Montag an, die bisherigen Corona-Inzidenz-Werte als Richtschnur für neue Maßnahmen von Bund und Ländern abschaffen zu wollen. „Die 50er Inzidenz im Gesetz hat ausgedient“, sagte Spahn im ZDF. „Der neue Parameter ist die Hospitalisierung. Heißt: die Covid-19-Patienten, die ins Krankenhaus aufgenommen werden zur Behandlung.“ Er wolle einen entsprechenden Vorschlag vorlegen, den der Bundestag noch in den Sondersitzungen vor der Bundestagswahl beschließen könne.

Bisher sind im Infektionsschutzgesetz die Sieben-Tage-Inzidenzen von 35, 50 und 100 aufgelistet. In der Debatte ist, die Sieben-Tage-Inzidenzen ganz zu streichen oder sie mit der Quote der Menschen zu verbinden, die mit einer Corona-Erkrankung tatsächlich ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Derzeit steigen nach Angaben des Robert-Koch-Instituts sowohl die Impfquote als auch die Sieben-Tage-Inzidenzen an. Bis Montag haben nach Angaben von Spahn 64,1% der Gesamtbevölkerung mindestens eine Impfdosis erhalten, vollständig geimpft waren 59%. Am Montag meldete das RKI aber gleichzeitig einen weiteren deutlichen Anstieg der Infektionszahlen.

Die Zahlen steigen vor allem in den Bundesländern, in denen die Schulferien enden. Der Anstieg wird vor allem mit der Zahl der Reiserückkehrer und dem Schulstart nach den Ferien erklärt. Das RKI verzeichnet stark steigende Infektionszahlen vor allem in den jüngeren Altersgruppen, die entweder nicht geimpft werden können (Kinder bis 12 Jahre) oder bei denen die Impfquote sehr gering ist (12 bis 16 Jahre).

Gesundheitsminister Spahn be­tonte, dass die Abschaffung der Inzidenzwerte keine Entwarnung bedeute. Sowohl Laschet als auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatten am Sonntagabend betont, dass es keinen neuen Lockdown für Geimpfte geben solle. Die politische Debatte kreist stärker um die Frage, ob Nichtgeimpften künftig der Zugang zu Veranstaltungen in Innenräumen verwehrt werden soll. Bund und Länder setzen derzeit auf ein 3G-Konzept, das Geimpfte, Genesene und Getestete gleichstellt.

Aktuelle Impfrate reicht nicht

Angesichts des stockenden Tempos der Corona-Impfungen in Deutschland rufen zudem Arbeitgeber und Gewerkschaften gemeinsam die Menschen zur Impfung auf. „Wir müssen aufpassen, dass wir das Erreichte nicht verspielen“, heißt es in dem gemeinsamen Appell von Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger und dem Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. „Mit der aktuellen Impfrate können und dürfen wir uns nicht zufriedengeben.“

Jeder Geimpfte helfe, die Ausbreitung von Covid-19 zu bekämpfen und zu mehr Normalität im Privat- und Arbeitsleben zurückzukehren. Die beiden Spitzenfunktionäre äußerten Sorge wegen des Abflachens der Impfdynamik. Mit Pandemieplänen, vielfältigen Regelungen zum mobilen Arbeiten und zum Datenschutz, Testangeboten und tariflichen Vereinbarungen zur Ab­milderung der Coronakrise hätten die Sozialpartner das wirtschaftliche Leben trotz der schwierigen Bedingungen aufrechterhalten und Arbeitsplätze zu sicheren Orten ge­macht.