LEITARTIKEL

Spanien dreht sich im Kreis

Spanien war in mehr als drei Jahrzehnten nach der Franco-Diktatur im Vergleich zu anderen Ländern wie Italien ein Hort der politischen Stabilität. Die Sozialisten der PSOE und die konservative Volkspartei (PP) wechselten sich an der Macht ab - teils...

Spanien dreht sich im Kreis

Spanien war in mehr als drei Jahrzehnten nach der Franco-Diktatur im Vergleich zu anderen Ländern wie Italien ein Hort der politischen Stabilität. Die Sozialisten der PSOE und die konservative Volkspartei (PP) wechselten sich an der Macht ab – teils allein, teils mit Unterstützung der früher weitaus pragmatischer geprägten nationalistischen Parteien. Das ist seit 2015 vorbei, als die Linkspartei Podemos und die rechtsliberale Ciudadanos auf den Plan traten. Am 28. April müssen die Spanier nun zum dritten Mal in rund drei Jahren ein neues Parlament wählen. Mit der rechtsradikalen Vox wird aller Voraussicht nach ein weiterer Spieler hinzukommen – was die Regierungsbildung weiter kompliziert.Trotz der neuen politischen Vielfalt haben sich zwei Blöcke herauskristallisiert. Auf der linken Seite stehen Podemos und die PSOE von Ministerpräsident Pedro Sánchez, dessen Minderheitsregierung an der Ablehnung des Haushalts gescheitert ist. Auf der anderen Seite des Spektrums treten PP, Ciudadanos und Vox an, die die Sozialisten Anfang des Jahres bereits in Andalusien nach fast 40 Jahren von der Macht verdrängt haben. Hinzu kommen die nationalistischen Parteien aus Katalonien und dem Baskenland, die dank des auf regionale Besonderheiten ausgerichteten spanischen Wahlrechts überproportional im Parlament vertreten sind. Die Umfragen sehen die PSOE zwar vorn, jedoch weit von einer ausreichenden Mehrheit entfernt. Alles scheint möglich.Obwohl Spanien viele, besonders wirtschaftliche Probleme hat, ist das dominierende Thema der Kampagne der Konflikt mit den Separatisten in Katalonien. Sánchez lag richtig, als er nach dem konstruktiven Misstrauensvotum im Juni, mit dem er den Konservativen Mariano Rajoy aus dem Amt verdrängte, auf die katalanischen Separatisten zuging. Er machte Zugeständnisse, wie etwa die im gescheiterten Haushalt vorgesehene Erhöhung der staatlichen Investitionen in Katalonien um 68 %. Nach dem harten Konfrontationskurs unter Rajoy, der das Problem lieber der Justiz überlassen hatte, ging es dem Sozialisten darum, die Herzen jener Katalanen zurückzugewinnen, die sich berechtigterweise vom Zentralstaat missachtet fühlen. Dieser sehr emotional geführte Konflikt wird mittelfristig keine Lösung finden. Seit einigen Jahren halten sich die Befürworter und Gegner der Unabhängigkeit in Katalonien allen Wahlergebnissen und Umfragen nach in etwa die Waage. Teile der Separatisten gestehen selbst ein, dass man unmöglich die Abspaltung von Spanien gegen den Willen der anderen Hälfte der Gesellschaft erzwingen kann. Sánchez blieb bei allen Einladungen zum Dialog in der Kernfrage hart und lehnte das sogenannte Recht auf Selbstbestimmung ab.Dennoch erweckte der Ministerpräsident den Eindruck, sich die notwendigen Stimmen der Abgeordneten der beiden separatistischen Parteien im nationalen Parlament erkaufen zu wollen. Das hat den Rechten viel Rückenwind gegeben. PP, Ciudadanos und Vox richten ihren Wahlkampf ganz auf die Verteidigung der Einheit Spaniens aus, was in der emotional aufgeladenen Stimmung im Lande auf fruchtbaren Boden fällt. Die Konservativen und Liberalen wollen den Autonomiestatus Kataloniens aufheben und den Landesteil unter Direktverwaltung stellen. Vox plädiert sogar dafür, das System der autonomen Regionen in Spanien ganz abzuschaffen. Es ist aber kaum anzunehmen, dass eine staatliche Intervention in Katalonien die Anhänger der Unabhängigkeit umstimmen würde – ganz im Gegenteil. Sánchez unterstellt den Separatisten daher zu Recht, dass sie im Grunde eine Regierung der drei rechten Parteien herbeiwünschen, damit der Konflikt noch weiter angeheizt wird, nicht zuletzt mit Blick auf die von den “independentistas” erhoffte internationale Einmischung.—–Von Thilo SchäferNach dem Scheitern der Minderheitsregierung müssen die Spanier im April erneut an die Wahlurnen. Es spricht wenig dafür, dass es danach besser wird. —–