Spaniens Minderheitsregierung geht auf Risiko

Trotz fehlender Stimmen bringt Ministerpräsident Pedro Sánchez Haushaltsentwurf im Parlament ein - Neuwahlen möglich

Spaniens Minderheitsregierung geht auf Risiko

ths Madrid – In Spanien wurden in den ersten Tagen des neuen Jahres wichtige Weichen für die politische Entwicklung 2019 gestellt. In Andalusien, dem einwohnerstärksten Landesteil, einigten sich die konservative Volkspartei (PP) und die rechtsliberale Ciudadanos am Mittwochabend auf eine Minderheitsregierung, die mit Hilfe der Stimmen der rechtsradikalen Vox die Sozialisten (PSOE) nach 36 Jahren an der Macht ablöst.Mit Vox schaffte bei den andalusischen Regionalwahlen im Dezember erstmals seit den Anfangsjahren der spanischen Demokratie wieder eine ultrarechte Partei den Einzug in ein Parlament. Der umstrittene Pakt dieser drei Kräfte verändert die politische Landschaft im Vorfeld des Superwahltags am 26. Mai, wenn neben dem Europaparlament auch noch 13 der 17 Regionalkammern sowie sämtliche Kommunalparlamente neu gewählt werden. Es ist gut möglich, dass 2019 auch noch vorgezogene Neuwahlen für das nationale Parlament hinzukommen. Wachstumsprognose gesenktNach langem Zögern geht die sozialistische Minderheitsregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez nun das Risiko ein, den Haushaltsplan 2019 ins Parlament einzubringen, obwohl ein Scheitern droht. Am heutigen Freitag wird das Kabinett den Plan verabschieden, und Montag soll er bereits im Unterhaus eingereicht werden. Es handelt sich um ein abgeändertes Projekt gegenüber dem Haushalt, der im Herbst bereits von der Regierung beschlossen worden war. Statt des damals anvisierten Defizits von 1,8 % des Bruttoinlandsproduktes sieht der neue Plan einen strikteren Rahmen von 1,3 % vor. Der Grund ist, dass die Volkspartei mit ihrer absoluten Mehrheit im Senat die zuvor mit Brüssel abgesprochene lockerere Vorgabe ablehnte. Daher senkt die Regierung nun ihre Wachstumsprognose für 2019 um einen Zehntelpunkt auf 2,2 %. “Mit einem Defizitziel von 1,8 % hätten wir die Prognose nach oben revidiert, aber die stärkere fiskalische Anpassung bedeutet weniger Wachstum”, erklärte Wirtschaftsministerin Nadia Calviño am Donnerstag.Eigentlich läuft die spanische Konjunktur trotz der politischen Blockade weiter ganz gut. Die gesunkenen Rohölpreise und die Mehreinnahmen der Sozialversicherung durch die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns helfen nach Angaben von Calviño der Staatskasse. Die Ratingagentur Standard & Poor’s attestierte Spanien am Donnerstag eine “deutliche Besserung am Arbeitsmarkt” und hält damit ihre Wachstumsprognose von 2,3 % für das laufende Jahr aufrecht.Eine Zeit lang hatte Sánchez erwogen, den letztjährigen Haushalt zu verlängern und so bis Ende der Legislaturperiode im Sommer 2020 durchzuregieren. Nun geht der Sozialist das Risiko ein, dass der Plan im Parlament abgewiesen wird. Denn nach wie vor verweigern die katalanischen Separatisten die notwendigen Stimmen ihrer Abgeordneten in Madrid. Trotz eines Treffens von Sánchez und dem katalanischen Ministerpräsidenten Quim Torra kurz vor Weihnachten in Barcelona ist die Situation weiter sehr angespannt. Das Klima dürfte sich mit dem Auftakt des Großprozesses gegen die inhaftierten Spitzenpolitiker der Separatisten wegen des Referendums und der Unabhängigkeitserklärung 2017 in den nächsten Tagen eher verschlechtern. Bei einem Scheitern des Haushalts wird damit gerechnet, dass Sánchez die Spanier im Herbst an die Wahlurnen bittet.Derweil ist der Regierungspakt des rechten Lagers in Andalusien daheim und im Ausland auf scharfe Kritik gestoßen. Die Volkspartei, die den neuen Ministerpräsidenten stellt, konnte zwar die umstrittensten Forderungen von Vox, wie die Abschaffung der Gesetze gegen geschlechtsspezifische Gewalt, Rechte für Homosexuelle oder die Ausweisung von Tausenden von Immigranten, abweisen. Doch sind in dem Abkommen einige Positionen der Rechtspopulisten, etwa in der Familienpolitik, enthalten. Der ehemalige französische Ministerpräsident Manuel Valls, der bei den Kommunalwahlen in seiner Geburtsstadt Barcelona im Mai eine Liste um Ciudadanos anführt, hat den Pakt mit Vox scharf verurteilt, wie auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.