PERSONEN

Spaniens Regierungschef gibt ein wenig Macht ab

Von Thilo Schäfer, Madrid Börsen-Zeitung, 7.5.2020 Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez teilt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Sorgen über die Dynamik in einem föderalen Staat in der Coronakrise. "Es darf jetzt nicht zu einem Wettlauf...

Spaniens Regierungschef gibt ein wenig Macht ab

Von Thilo Schäfer, Madrid Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez teilt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Sorgen über die Dynamik in einem föderalen Staat in der Coronakrise. “Es darf jetzt nicht zu einem Wettlauf zwischen den Regionen um die Lockerungen gehen”, mahnte der Regierungschef am Mittwoch im Parlament. Doch im Gegensatz zu Merkel hat der spanische Sozialist unter dem sogenannten Alarmzustand das Sagen im Krisenmanagement. Die Kompetenzen der 17 Autonomen Regionen des Landes wurden weitgehend ausgesetzt. Vor allem in Katalonien und im Baskenland stößt den Separatisten die von Madrid ferngesteuerte Pandemie-Bekämpfung gehörig auf.Das soll sich nun ändern. Sánchez hat den Regionalregierungen mehr Mitsprache und Gestaltungsmöglichkeiten bei der Deeskalation zugesagt. Denn die Kritik am zentralistischen Vorgehen und an der mangelnden Abstimmung mit den lokalen Behörden wurde in den vergangenen Tagen immer lauter. Bis zu dem Punkt, dass die Minderheitsregierung der Sozialisten von Sánchez und dem Linksbündnis Unidas Podemos vor der Abstimmung über eine erneute zweiwöchige Verlängerung des Alarmzustandes am Mittwoch im Parlament um die Mehrheit bangen musste. Am Ende kam aber doch eine absolute Mehrheit zustande, der Alarmzustand gilt nun bis 24. Mai.Auch die konservative Volkspartei lehnte eine weitere zweiwöchige Verlängerung des Alarmzustandes ab. Oppositionsführer Pablo Casado warf Sánchez gar vor, eine “verfassungskonforme Diktatur” einrichten zu wollen. Doch Sánchez unterstrich in der Parlamentsdebatte ein ums andere Mal, dass einzig der Alarmzustand es der Regierung erlaubt, die Mobilität zwischen den 50 Provinzen des Landes zu verbieten, was Juristen bestätigen. Keine ReisenDie Einschränkung der Reisen zwischen den Provinzen ist ein entscheidender Bestandteil der Exit-Strategie von Sánchez. Sollte es in den nächsten Wochen irgendwo in Spanien einen neuen Ausbruch des Virus geben, könne man diesen innerhalb der betroffenen Provinz kontrollieren und eine Weiterverbreitung im Rest des Landes verhindern. Sánchez lehnte den Vorwurf totalitärer Versuchungen ab, räumte aber gewisse verfassungsrechtliche Einschnitte ein. “Alle Grundrechte sind derzeit intakt, bis auf zwei: die Bewegungsfreiheit und das Versammlungsrecht”, sagte der Ministerpräsident. “Doch dies geschieht zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und um Leben zu retten.”Sánchez hatte vor der Abstimmung am Mittwoch die Opposition gegen sich aufgebracht. Die zu Beginn der Krise beschlossenen Hilfsmaßnahmen, wie Kredite für Firmen und ein flexiblerer Zugang zum Kurzarbeitergeld, waren an die Dauer des Ausnahmezustandes gekoppelt. Der Sozialist übte Druck auf die übrigen Parteien aus, indem er damit drohte, dass Hunderttausende Menschen ohne diese Mittel dastünden, sollte er die Abstimmung verlieren. Casado warf dem Regierungschef daraufhin Erpressung vor.Schließlich einigte man sich mit der liberalen Ciudadanos im Gegenzug für deren Stimmen darauf, die Coronahilfen in einen anderen gesetzlichen Rahmen zu fassen, damit sie auch über das Ende des Alarmzustandes hinaus gelten. So ging man mit anderen unter der Krise beschlossenen Maßnahmen vor, wie einem neuen Mindesteinkommen für sozial Schwache, das nach Angaben der Regierung 3 Mrd. Euro pro Jahr kosten wird. Im rechten Lager hat man Sánchez vorgeworfen, unter dem Deckmantel der Sonderbefugnisse seine Agenda zu verfolgen, was dieser bestreitet. “Der Alarmzustand ist kein politisches Projekt, sondern eine Notwendigkeit.”