KONJUNKTURAUSSICHTEN

Spannung vor dem Bericht über das dritte Quartal

Konjunkturtableau zeigt noch keine weiteren Anpassungen der Wachstumsprognosen - DIW-Konjunkturbarometer: Aussichten haben sich verdüstert

Spannung vor dem Bericht über das dritte Quartal

Die Corona-Infektionszahlen steigen rasant und dementsprechend wächst auch das Risiko einer zweiten Rezession – unabhängig von den weiteren politisch verfügten Schutzmaßnahmen. Im aktuellen Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung hat sich die aktuelle Krisensituation noch nicht niedergeschlagen.Von Alexandra Baude, FrankfurtMit Spannung würden die ersten vorläufigen Ergebnisse für das Wachstum des deutschen realen Bruttoinlandsproduktes (BIP) im dritten Quartal erwartet, die am 30. Oktober vom Statistischen Bundesamt (Destatis) veröffentlicht werden sollen. Ökonomen erwarten im Mittel ein Wachstum von 7,3 % im Quartalsvergleich, nachdem das BIP im ersten Quartal um 2,0 % und im zweiten Quartal um 9,7 % eingebrochen war. Gemessen am Konjunkturbarometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) dürfte das BIP im abgelaufenen Vierteljahr um 6 % gewachsen sein, die weiteren Aussichten allerdings, so erklärt DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen, hätten sich erheblich verdüstert. Das Konjunkturbarometer für den Schlussabschnitt 2020 ist von 122 auf 105 Punkte gefallen. “Das Wirtschaftsgeschehen wird wohl stellenweise wieder lahmgelegt werden – wenn auch nicht in dem Maße wie im Frühjahr,” warnt Michelsen. Das Risiko, dass die Produktion – abhängig vom konkreten Infektionsverlauf – wieder deutlich zurückgefahren wird, sei in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen. Hoffnungsträger ProduktionSeit Beginn der Coronakrise zu Jahresanfang verlaufen die Veränderungsraten von Industrieproduktion und realem BIP ungefähr in der Relation von 1:1 – zuvor wies die Produktion eine dreimal so hohe Volatilität wie das BIP aus, erläutert ZEW-Experte Schröder. Der Blick auf aktuell vorliegende Daten zur Produktion im verarbeitenden Gewerbe deute auf ein kräftiges Wachstum im Sommerquartal hin: Im Juli/August hat die Fertigung zusammen 2,4 % zugelegt, das Wachstum erwartet Schröder daher in einer ähnlichen Größenordnung. Im ersten Quartal 2020 war der Index der Industrieproduktion um etwa 8,5 % relativ zum Stand von Ende 2019 zurückgegangen, im zweiten Quartal um ungefähr 3,7 % (berechnet als Relation der Werte von Juni und März). Für September und Oktober ist mit weiteren Produktionsanstiegen zu rechnen, wie der Verlauf der Auftragseingänge zeigt. Diese Auftragseingänge haben typischerweise einen Vorlauf vor der Produktion von 1 bis 2 Monaten. Im August lagen die Auftragseingänge etwa 8 % über dem Wert vom Juni. Eine zu erwartende deutliche Erholung der normalerweise konjunkturstabilisierend wirkenden Dienstleistungssektoren in der Zeit nach dem Lockdown im ersten Halbjahr wird laut Schröder ebenfalls für eine Steigerung des realen BIP im dritten Quartal sorgen.In den ersten beiden Quartalen war der Dienstleistungsbereich sogar noch stärker als das reale BIP eingebrochen. Im Zuge des ersten Lockdowns war dieser Bereich besonders stark betroffen und auch jetzt hält die Verunsicherung die Konsumenten wieder von Läden, Bars, Cafés, Kneipen und Restaurants fern. “Für das so wichtige Vorweihnachtsgeschäft wäre das eine Katastrophe”, warnt Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Er rät zu einem kurzen, aber weitreichenden Lockdown. Dieser “sollte weniger emotional, sondern vielmehr mit rechnerischem Kalkül bedacht werden”, so Gitzel. So habe der Internationale Währungsfonds in seinem jüngsten weltwirtschaftlichen Ausblick vorgerechnet, “dass ein zeitlich befristeter Lockdown, der Infektionsketten durchbricht, für eine Volkswirtschaft günstiger sein kann als ein lang anhaltend hohes Infektionsrisiko, das zu einem freiwilligen Konsumverzicht führt”. Denn eine lang anhaltende freiwillige Distanzierung der Verbraucher sei “pures Gift für eine wirtschaftliche Genesung”.Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, würde sich schon über eine “schwarze Null” im vierten Quartal freuen, nachdem der Lockdown tatsächlich wie vorgeschlagen beschlossen wurde. Viele Unternehmen seien wegen des ersten Lockdowns noch sehr geschwächt: “Man kann die Wirtschaft nicht wie eine Lampe ein- und abschalten, ohne dass es zu massiven Schäden kommt”, mahnte Krämer. Bislang hatte er für das Schlussquartal ein Plus von 1 % erwartet. Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding hält bei noch drastischeren Maßnahmen sogar ein Minus von bis zu 2 % für möglich. Ein Teil der möglichen Verluste in Europa würde aber durch die “derzeit gut laufende Exportnachfrage aus China und den USA” ausgeglichen.Die Unwägbarkeiten hinsichtlich der weiteren Corona-Restriktionen, die Auswirkungen eines wahrscheinlicher werdenden No-Deal-Brexit sowie der noch unklare Ausgang der US-Wahl sorgen immer noch für Unsicherheit, erklärt Schröder vom ZEW die ungewöhnlich hohe Bandbreite der BIP-Prognosen für 2021.