SPD bekennt sich zur Koalition

Interimsfraktionschef Mützenich will Gesetzgebung voranbringen - Wirtschaft fordert Reformen

SPD bekennt sich zur Koalition

Nach der interimistischen Neubesetzung ihrer Spitze ist die SPD-Fraktion im Bundestag um konstruktive Zusammenarbeit mit der CDU/CSU bemüht. Die deutsche Industrie kritisiert die Regierungsarbeit scharf, setzt aber auf den Fortbestand der großen Koalition. Kanzlerin Angela Merkel wies die Kritik zurück. wf Berlin – Die SPD-Bundestagsfraktion will unter ihrem neuen kommissarischen Vorsitzenden Rolf Mützenich die Gesetzgebung der großen Koalition weiter voranbringen. Bereits am Freitag stehen die abschließende Abstimmung über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, eine Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung von Ausländern sowie Änderungen beim Asylbewerberleistungsgesetz auf der Tagesordnung des Bundestags. Die Fachpolitiker von Union und SPD hatten dazu am Montag Kompromisse gefunden. “Das zeigt, wie ernsthaft und wie konzentriert wir auch weiterhin an diesem Koalitionsvertrag arbeiten werden”, sagte Mützenich nach der SPD-Fraktionssitzung. CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus rief die Union im Bundestag in der Fraktionssitzung zu Geschlossenheit auf. Die Union müsse das Land funktionsfähig halten, sagte Brinkhaus nach Angaben von Teilnehmern laut Nachrichtenagentur dpa-afx. “Wir sind die letzte Achse, die das Land zusammenhält.”SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles hatte zu Beginn der Fraktionssitzung ihren angekündigten Rücktritt offiziell erklärt. Am Montag hatte sie bereits ihr Amt als Parteivorsitzende aufgegeben. Nahles zog die Konsequenz aus dem schlechten Europawahlergebnis und dem mangelnden Rückhalt in der SPD-Basis. Die Fraktion will sich – wie die Partei – mit der Wahl einer neuen Spitze Zeit lassen. Mützenich zufolge könnte in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause gewählt werden oder erst nach der Sommerpause im September – wie es regulär geplant war. “Wir sind in Sorge”Die deutsche Industrie setzt trotz ihrer Kritik an der Regierungspolitik auf die weitere Regierung von Schwarz-Rot. Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), rief die Koalitionspartner dazu auf, ihren Regierungsauftrag zu erfüllen und konsequent zu handeln. Zugleich forderte er einen Kurswechsel der Koalition. “Wir sind in Sorge”, sagte Kempf beim Tag der Deutschen Industrie in Berlin. “Um unser Land, unsere Gesellschaft und um unsere Unternehmerinnen und Unternehmer.” Die wirtschaftliche Lage werde zunehmend zum Risiko, viele Probleme seien hausgemacht. “Die Regierungspolitik schadet den Unternehmen”, kritisierte der Industriepräsident scharf. Die große Koalition stehe für das mutlose Abarbeiten kleinteiliger Sozialpolitik und ein ungesundes Maß an Umverteilung. “Es fällt uns schwer, in der Arbeit der Bundesregierung einen klaren wirtschaftspolitischen Kurs zu erkennen”, konstatierte er. Kempf verlangte von der Regierung, Investitionen und Innovationen anzukurbeln: vom Klimaschutz über den Verkehrsbereich bis hin zur Digitalisierung. Unbewältigt sei die Energiewende. Der Industrie drohten existenzgefährdende Strompreise. Staatliche Hilfe für eine Industriepolitik lehnt der BDI ab, verlangt aber eine Unternehmenssteuerreform. “Deutschland darf nicht länger Höchststeuerland sein”, rief Kempf aus. “Wir brauchen endlich ein international vergleichbares Niveau einer Steuerbelastung aller Unternehmen von maximal 25 %.” Merkel ventiliert Steuerreform Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wiesen die Kritik zurück. Merkel stellte Bemühungen in Aussicht. “Wir wollen versuchen, hier in der großen Koalition noch etwas zustande zu bringen”, sagte sie beim Tag der deutschen Industrie und verwies auf die Behandlung thesaurierter Gewinne. Die Arbeitsgruppe Finanzen der Unionsfraktion hatte Ende Januar neben vielen anderen Punkten zur Reform der Unternehmensbesteuerung Erleichterungen für Personengesellschaften bei der Einbehaltung von Gewinnen angeregt. Die Möglichkeit, über die derzeitige sogenannte Thesaurierungsbegünstigung die Steuerlast auf unter 30 % zu senken, könne nur von sehr wenigen Unternehmen genutzt werden, die zudem hohe Gewinne haben müssten, so die Begründung. Scholz hielt dem BDI entgegen: “Die Grundlage des Kaufmanns ist das Nörgeln.” Er wandte sich gegen ein “Wünsch-Dir-Was” von Verbandslobbyisten. Zugleich verwies Scholz auf die höheren staatlichen Ausgaben für Forschung und die geplante steuerliche Forschungsförderung. Die Forderungen nach massiver Steuersenkung ließen sich nicht ohne zusätzliche Staatsschulden realisieren.