SPD wirbt für die Ampel, Union hofft auf Jamaika
sp Berlin
Nach den Sitzungen der Parteigremien am Montag haben die Spitzenkandidaten von SPD und Union ihr Werben um die Grünen und die FDP als potenzielle Partner in einer Dreierkoalition fortgesetzt. Während der Wahlsieger Olaf Scholz (SPD) von einem „sichtbaren Regierungsauftrag“ für eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP sprach, relativierte CDU-Chef Armin Laschet den am Sonntagabend angemeldeten Regierungsanspruch der Union an der Spitze einer sogenannten Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, Grünen und FDP.
Desaster für die Union
„Ich habe deutlich gemacht, dass dieses Ergebnis kein Regierungsauftrag ist, und es ist auch kein Anspruch“, erklärte der Kanzlerkandidat der Union, der das schlechteste Ergebnis von CDU/CSU bei einer Bundestagswahl zu verantworten hat. Am Sonntagabend, als SPD und Union in den ersten Hochrechnungen noch auf Augenhöhe lagen, hatte Laschet noch deutlich forscher angekündigt, eine Regierung unter Führung der Union anzustreben. Die Spitzen von Grünen und FDP, die in der Kanzlerfrage am Ende den Ausschlag geben dürften, kündigten am Montag an, vor Gesprächen mit der SPD oder der Union nach Gemeinsamkeiten zwischen der Ökopartei und den Liberalen als Grundlage für ein mögliches Dreierbündnis zu suchen.
Laut dem vorläufigen Endergebnis liegt die stark verbesserte SPD mit 25,7 (2017: 20,5)% vor der Union, die mit 24,1 (33)% ein Debakel erlebte. Auf Platz 3 liegen die Grünen, die mit 14,8 (8,9)% ihr Ergebnis gegenüber 2017 zwar fast verdoppeln konnten, damit aber weit unter den eigenen Ansprüchen blieben. Die FDP schaffte mit 11,5 (10,7)% ein leichtes Plus und zum ersten Mal in zwei aufeinanderfolgenden Bundestagswahlen ein zweistelliges Ergebnis. Dahinter reiht sich die AfD mit 10,3 (12,6)% ein, die in der Parteienhierarchie im Parlament von Platz 3 auf Rang 5 abrutscht. Die Linke sackt auf 4,9 (9,2)% ab, zieht trotz Verfehlen der 5-%-Marke mit drei Direktmandaten aber in Fraktionsstärke in den nächsten Bundestag ein. Ein Mandat hat auch der Südschleswigsche Wählerverband ergattert, für den als Partei einer nationalen Minderheit die 5-%-Hürde nicht gilt.
Das vorläufige Wahlergebnis rückt Zweierbündnisse mit Ausnahme einer Wiederauflage der ungeliebten „Groko“ ebenso außer Reichweite wie eine rot-grün-rote Zusammenarbeit in einem Linksbündnis. Eine Zusammenarbeit mit der AfD haben alle Kandidaten für die Nachfolge von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor der Wahl ausgeschlossen.
Damit finden sich Grüne und FDP gemeinsam in der Rolle der Kanzlermacher wieder. Denn nur wenn sie sich zusammenraufen, können Scholz oder Laschet an der Spitze eines Dreierbündnisses regieren.
Die FDP will deshalb in Vorsondierungen erst Gemeinsamkeiten mit den Grünen ausloten, die Grundlage für eine Zusammenarbeit sein könnten, bevor man sich Gesprächen mit Union und SPD öffne, wie FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner erklärte. Das hat der Parteivorstand am Montag beschlossen. Auch die Parteispitze der Grünen, Spitzenkandidatin Annalena Baerbock und Co-Parteichef Robert Habeck, zeigte sich am Montag offen für Gespräche mit der FDP. Das sei sinnvoll, da die Distanz zwischen Grünen und Liberalen besonders groß sei. „Da treffen Welten aufeinander“, sagte Habeck. FDP-Chef Lindner verwies ebenfalls auf die großen Unterschiede. „Zugleich sind wir auch die Parteien, die sich am stärksten gegen den Status quo der Groko gewandt haben“, betonte er.
Dreierbündnis wahrscheinlich
Die Unterschiede betreffen nicht zuletzt die Vorlieben für ein Dreierbündnis. „Die Nähe zur SPD ist nun wirklich größer als zur Union“, wiederholte Habeck die Präferenz der Grünen für eine Ampel. Dagegen äußerte FDP-Chef Lindner Zweifel an der Bildung einer Dreierkoalition unter Führung der SPD. Es fehle ihm die Vorstellungskraft, welche Angebote Scholz der FDP angesichts der unterschiedlichen Positionen etwa in der Haushaltspolitik machen könne. Das Gleiche gilt für die Grünen mit Blick auf die Unterschiede zur Union, wenn man die Parteiprogramme übereinanderlegt (siehe Grafik).
Die Wählerinnen und Wähler hätten mit SPD, Grünen und FDP drei Parteien gestärkt, betonte Scholz. „Und deshalb ist das der sichtbare Auftrag, den die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes formuliert haben“, deutete der SPD-Spitzenkandidat das Wahlergebnis im Sinne eines Ampelbündnisses. „Diese drei sollen die Regierung führen.“ Scholz, der am Sonntag einen noch vor wenigen Wochen kaum für möglich gehaltenen Erfolg an den Wahlurnen verbuchte, verwies außerdem auf die Erfolge der sozial-liberalen Koalitionen in den 1970er Jahren und das rot-grüne Bündnis von 2005, um für ein sozial-ökologisch-liberales Bündnis zu werben. Alle drei Parteien verbinde zudem eine eigene Fortschrittserzählung, erklärte Scholz mit Blick auf SPD, Grüne und FDP. „Wenn also drei Parteien, die den Fortschritt am Beginn der 20er Jahre im Blick haben, sich zusammentun, dann kann das was Gutes werden, selbst wenn sie unterschiedliche Ausgangslagen haben“, sagte Scholz.
Die Parteiführung der SPD schlug am Montag schärfere Töne an, um die FDP für eine Ampel-Koalition zu gewinnen. Co-Parteichef Norbert Walter-Borjans erinnerte an die gescheiterten Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition nach der Bundestagswahl 2017, die am Ende die Liberalen platzen ließen. „Wenn Lindner die Republik wieder in eine Warteschleife schicken will, hat er das zu verantworten“, drohte Walter-Borjans. SPD-Co-Chefin Saskia Esken ging so weit, der FDP das moralische Recht zu Verhandlungen mit der Union als Wahlverliererin abzusprechen. Jede Koalition gegen Scholz sei eine Missachtung des Wählerwillens. Die Hinweise der SPD-Spitze habe er wahrgenommen, sagte Lindner nach den Gremiensitzungen am Montag. Der FDP-Vorstand habe aber dagegen entschieden, sich an der „faszinierenden Kommunikation“ zu beteiligen.
Machtkampf hat begonnen
Tatsächlich hat der Machtkampf der Parteien gerade erst begonnen. Die SPD hat als Wahlsiegerin mit dem populärsten Bewerber um das Kanzleramt zwar die wichtigsten Trümpfe in der Hand. In Verhandlungen mit der FDP könnten die Gräben am linken Flügel der Partei, die für den Wahlkampf zugeschüttet wurden, allerdings wieder aufreißen und die Signalfarbe für die Ampel auf Rot stellen. Das würde eine Chance für die Union bedeuten, die für eine Jamaika-Koalition als Zukunftsbündnis wirbt. Laschet musste nach dem Desaster vom Wochenende allerdings schon am Montag um Geschlossenheit in den eigenen Reihen kämpfen.