Spekulation über vorzeitige Neuwahl
mf Tokio – In Japan verdichten sich Spekulationen über eine vorgezogene Neuwahl in Zusammenhang mit einer Verschiebung der nächsten Erhöhung der Verbrauchsteuer. Hochrangige Politiker der Regierungskoalition aus Liberaldemokraten und Neuer Komeito-Partei machten entsprechende Andeutungen. Danach könnte Premierminister Shinzo Abe nach der ersten Schätzung des Wirtschaftswachstums im dritten Quartal, die am 17. November veröffentlicht wird, das Unterhaus auflösen. Der vorzeitige Urnengang würde entweder am 14. oder 21. Dezember stattfinden.Der nationalistische Regierungschef dementierte die Gerüchte nur halbherzig. Über den Zeitpunkt von Wahlen sei noch keine Entscheidung getroffen worden, betonte Abe. Er selbst habe nie von einer Parlamentsauflösung gesprochen. Dennoch bezifferte das Brokerhaus Morgan Stanley die Chance für eine Neuwahl auf über 50 %. Jubel an der BörseDie Spekulationen über eine mögliche Verschiebung der geplanten Verbrauchsteuererhöhung sowie baldige Neuwahlen haben für starke Kursbewegungen an den Finanzmärkten in Tokio gesorgt. Am Dienstag stieg der Nikkei-Index für 225 führende Werte erstmals seit sieben Jahren über die psychologisch wichtige Marke von 17 000 Punkten. Am Ende ging er mit einem Plus von 2,05 % auf 17 124,11 Punkten aus dem Handel. Der breit gefasste Topix stieg um 1,11 % und ging beim Stand von 1 375,21 Zählern aus dem Geschäft. Zum Optimismus der Anleger trug auch die Bank of Japan bei, die am Montag nach Börsenschluss neue Schritte zur Stimulierung der Konjunktur bekannt gegeben hatte. Zeitgleich fiel die japanische Währung auf den tiefsten Stand seit sieben Jahren. Am späten Vormittag mussten für einen Dollar 116,10 Yen gezahlt werden und damit so viel wie seit Oktober 2007 nicht mehr.Die nächste Unterhauswahl muss bis Ende 2016 stattfinden, da Abe erst im Dezember 2012 gewählt wurde. Aber in jüngsten Umfragen ist die Unzufriedenheit mit seiner Amtsführung stark gewachsen. Außer den Rücktritten von zwei Ministerinnen werden die Rückkehr der Inflation und die erste Steuererhöhung kritisiert. Die Anhebung der Verbrauchsteuer im April um 3 Punkte auf 8 % hatte den Aufschwung abgewürgt sowie Konsum und Investitionen stärker und länger belastet als erwartet. Die Steuermehreinnahmen sollen die steigenden Soziallasten der alternden Bevölkerung finanzieren und die Neuverschuldung verringern. Doch die Erhöhung konterkarierte die expansive Wirtschaftspolitik der “Abenomics”, die die potenzielle Wachstumsrate von Japans Wirtschaft erhöhen soll.Politische Beobachter in Tokio gehen davon aus, dass Abe die Steuererhöhung um bis zu zwei Jahre verschieben könnte. Seine engsten Berater Koichi Hamada und Etsuro Honda haben bereits dafür plädiert. Umfragen zufolge ist die schon gesetzlich verankerte nächste Steuerstufe um 2 Punkte auf 10 % im Oktober 2015 unpopulär. Mit einer vorzeitigen Neuwahl für eine Verschiebung könnte Abe sein aktuelles Popularitätstief überwinden und seinen Regierungsauftrag erneuern. Zudem könnte er nach einem Wahlsieg damit argumentieren, dass die Bevölkerung die von ihm forcierte Rückkehr zur Atomkraft sowie die Aufweichung des Pazifismus gebilligt habe. Ein Sieg scheint ihm sicher, da die zersplitterte Opposition auf eine kurzfristige Neuwahl schlecht vorbereitet ist. Die früher regierende Demokratische Partei ist nur noch ein Schatten ihrer selbst.