Steigende Arbeitskosten überschatten Tarifrunde

Preisliche Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen schwindet - Lohnrunde der Metaller beginnt

Steigende Arbeitskosten überschatten Tarifrunde

Von Stephan Lorz, FrankfurtDie gerade anlaufenden Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie scheinen auf den ersten Blick in den üblichen Bahnen zu verlaufen: Die Gewerkschaften verweisen auf die hoffnungsvollen konjunkturellen Aussichten sowie die hohen Unternehmensgewinne in der Vergangenheit und betonen, dass die qualitativen Forderungen nach mehr bezahlter Weiterbildung letztlich der Zukunftssicherung der Unternehmen selber dienen. Die Arbeitgeber indessen nähren Zweifel an einer Fortsetzung der positiven wirtschaftlichen Entwicklung, heben die um sich greifende Unsicherheit hervor auch im Hinblick auf die Eurokonjunktur und warnen vor einer kostenmäßigen Überfrachtung der Unternehmen, was Arbeitsplatzverlagerungen nach sich ziehen und den Standort D in seiner Gesamtheit beschädigen würde.Tatsächlich dürften die Gewerkschaften diesmal auf härteren tariflichen Widerstand der Arbeitgeber stoßen als in der jüngsten Vergangenheit, weil die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft inzwischen nicht mehr so ausgeprägt ist. Die Jahre 2003 bis 2007 waren noch geprägt von Lohnmoderation. Die Lohnstückkosten, so hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) errechnet, sanken um immerhin ein Siebtel, was deutsche Produkte verbilligte und die Exporterfolge der vergangenen Jahre ermöglicht hatte. Die sinkenden Lohnstückkosten waren auch eine Folge des Reformprogramms der Agenda 2010. Dadurch wurde auch die Grundlage für die sich daran anschließenden Beschäftigungserfolge geschaffen. Davon zehrt die deutsche Wirtschaft bis heute. Und die Gewerkschaften reklamierten beim Lohn Nachholbedarf.Inzwischen, so zeigt nun eine IW-Studie, ist der Kostenvorteil wieder dahin (siehe Grafik). Deutschland rangiert bezüglich der Lohnstückkosten, in denen die höhere deutsche Produktivität bereits eingerechnet ist, wieder auf den teuren Rängen. Natürlich spielen auch eine Reihe weiterer Faktoren eine wichtige Rolle beim Absatz deutscher Produkte wie die Qualität, der hohe technische Standard und auch die zuverlässigen Lieferbeziehungen. Doch von der preislichen Seite dürfte es künftig für heimische Hersteller schwerer werden.Zumindest stimmt das Argument vieler Deutschlandkritiker vor diesem Hintergrund nicht mehr, dass sich die heimische Wirtschaft nach wie vor durch übermäßige Lohnzurückhaltung Wettbewerbsvorteile verschafft und darunter auch die Binnennachfrage leidet, was den Import anderer Länder erschwert. Dabei habe der Außenhandel, so das IW, wohl bereits im vergangenen Jahr gebremst, und der Handelsüberschuss Deutschlands gegenüber den anderen Euro-Ländern sei zuletzt deutlich geschrumpft.Angesichts dieser Ausgangslage dürfte eine Einigung bei Tarifverhandlungen insgesamt deutlich schwerer sein als noch vor einigen Jahren. Denn ein zu hoher Abschluss oder zu hohe – letztlich kostenmäßig ebenfalls zu Buche schlagende – qualitative Forderungen könnten dann schnell einen Arbeitsplatzabbau und Jobverlagerungen nach sich ziehen, zumal die steigenden Energiekosten dem heimischen Standort bereits schaden. Dass die deutschen Unternehmen zurzeit vorsichtig taktieren, zeigt auch die zurückhaltende Investitionspolitik. Insofern erinnert die aktuelle Tarifrunde eher an die Verhandlungen in der Zeit vor der Agenda-Gesetzgebung.