Steuereinnahmen ungleich verteilt

Studie: Ostdeutsche Kommunen einnahmeschwach - Westdeutsche Städte ächzen unter Schulden

Steuereinnahmen ungleich verteilt

Die Schere zwischen ostdeutschen und westdeutschen Kommunen öffnet sich weiter: Während fast alle steuerstarken Städte und Kreise im Westen liegen, ist der Osten weiterhin abgehängt. Aber auch im Westen gibt es Probleme: Viele Kommunen sind hoch verschuldet.arp Frankfurt – Am heutigen Mittwoch berät das Bundeskabinett über die Ergebnisse der Regierungskommission “Gleichwertige Lebensverhältnisse” und will Maßnahmen erörtern. Der am Dienstag von der Bertelsmann Stiftung veröffentlichte Kommunale Finanzreport zeichnet ein ernüchterndes Bild: Trotz sprudelnder Steuereinnahmen kommen einige Kreise und Kommunen, insbesondere in Ostdeutschland, nicht vom Fleck. “Die Liste der Kommunen mit dem höchsten beziehungsweise den niedrigsten Steuereinnahmen hat sich in den vergangenen Jahren im Grunde nicht verändert”, sagte René Geißler von der Bertelsmann Stiftung, die alle zwei Jahre die Untersuchung veröffentlicht. Problematisch ist auch die Verschuldung in vornehmlich westdeutschen Kommunen. Reiche BayernSo finden sich unter den Städten und Kreisen mit den höchsten Steuereinnahmen gleich sechs aus Bayern, angeführt vom Kreis München, der – auf Basis letzter verfügbarer Daten aus 2017 – 3 816 Euro Steuern pro Einwohner einnahm. Die drittreichste Stadt der Republik ist Frankfurt (2 810 Euro Steuern/Einwohner) gefolgt vom angrenzenden Main-Taunus-Kreis (2 524 Euro Steuern/Einwohner). Nur ein Kreis aus Nordrhein-Westfalen, nämlich Mettmann, der an die Landeshauptstadt Düsseldorf grenzt, schafft es mit 2 240 Euro Steuern unter die ersten zehn; ebenso wie der an Berlin grenzende Dahme-Spreewald-Kreis (2 343 Euro Steuern pro Einwohner). Zufall ist das nicht: Denn neben der Nähe zur Bundeshauptstadt liegt auch der im Bau befindliche Großflughafen BER im Kreisgebiet.Auch die mehrjährige Phase der bis ins Jahr 2018 reichenden Hochkonjunktur hat den wirtschaftsschwachen Kreisen und Städten in Ostdeutschland nichts gebracht. Denn je höher die Wirtschaftskraft, desto höher die Steuereinnahmen. Ein Aufholen schwacher Kommunen erscheint Geißler daher kaum möglich. Hinzu kommt ein Teufelskreis: Gerade Städte und Kreise mit geringer Wirtschaftskraft sind gezwungen, ihre Gewerbesteuern zu erhöhen, um mehr Einnahmen zu erzielen, was sie als Wirtschaftsstandort noch unattraktiver macht.So liegen von den 40 steuerstärksten Kommunen 39 in Westdeutschland, während 35 ostdeutsche Kommunen zu den 40 schwächsten zählen. Das Schlusslicht bildet der Kreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt, der gerade mal 564 Euro Steuern pro Einwohner einnimmt. Unter den zehn Kommunen und Kreisen mit den niedrigsten Steuereinnahmen stellt Sachsen-Anhalt vier, Sachsen und Thüringen je zwei und Brandenburg sowie Mecklenburg-Vorpommern je einen.Insbesondere in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz stellt sich ein anderes Problem, das den Experten der Bertelsmann Stiftung beunruhigt: Hier haben zahlreiche Kommunen hohe Kassenkredite. Diese sind vergleichbar mit dem Überziehungskredit von Privatleuten und Zeichen für eine desolate Haushaltslage. Die Kommune mit den höchsten Kassenkrediten ist Pirmasens mit 8 239 Euro je Einwohner (Stand 2017). Vor fünf Jahren hatte den Spitzenplatz noch die jetzt auf dem zweiten Rang liegende Stadt Oberhausen (7 634 Euro/Einwohner) inne. Unter den 20 Städten und Kreisen mit den höchsten Kassenkrediten liegen zehn in Rheinland-Pfalz und neun in Nordrhein-Westfalen. Hinzu kommt der Regionalverband Saarbrücken im Saarland.Dass hohe Kassenkredite in Ostdeutschland kaum ein Problem darstellen, liegt an einer unterschiedlichen Aufsichtspraxis durch die Landesregierungen bei den kommunalen Haushalten, erläutert Geißler. Der Gesetzgeber hatte sie ursprünglich nur zur kurzfristigen Überbrückung von Haushaltslücken vorgesehen, für viele Kommunen sind sie aber zu einem dauerhaften Finanzierungsinstrument geworden. Auch wenn die Summe der Kassenkredite in den allermeisten Bundesländern rückläufig ist und nur rund die Hälfte der bundesdeutschen Kommunen dieses Finanzierungsinstrument nicht in Anspruch nimmt, ballen sie sich doch regional. So tragen 23 Kommunen die Hälfte des bundesweiten Bestands. Daran haben auch sieben Jahre in Folge mit Überschüssen aufgrund der guten konjunkturellen Lage nichts geändert. Die sich abzeichnende Abkühlung der Konjunktur reißt auch “unmittelbar neue Löcher in die Haushalte und macht die vergangenen Bemühungen zunichte”, so Geißler. Politik auf den Plan gerufenEin Bündnis von 70 Kommunen will die Situation ändern und fordert darum eine Entlastung der Kommunen von Altschulden. “Wer bestellt, bezahlt!” – Bierdeckel mit dieser Aufschrift sollen in diesen Tagen an Hunderte Politiker des Bundestags und aller Landtage versandt werden, so das Aktionsbündnis “Für die Würde unserer Städte”. Die verschuldeten Kommunen und Kreise kritisieren, dass der Bund in der Vergangenheit soziale Aufgaben an sie übertragen habe, ohne diese ausreichend zu finanzieren. Gerade in strukturschwachen Regionen habe dies eine hohe Verschuldung gefördert.Die Grünen unterstützen diese Forderung: “Wir sollten die noch gute Haushaltslage nutzen, um bestimmte Kommunen einerseits gezielt beim Abbau ihrer Altschulden und andererseits bei ihren hohen Sozialkosten zu unterstützen”, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Anja Hajduk in einem am Dienstag veröffentlichten Zeitungsinterview.Hessen hat bereits gehandelt und im Dezember 2018 rund 4,9 Mrd. Euro an Kassenkrediten in die sogenannte Hessenkasse übernommen. So wurden 179 Kommunen in dem von CDU und Grünen regierten Bundesland entschuldet. – Wertberichtigt Seite 6