Steuerexpertin Hey vermisst im Koalitionsvertrag den „Wow-Effekt“ für die Wirtschaft
Steuerexpertin Hey vermisst „Wow-Effekt“ bei Koalition
Tarifsenkung zu zaghaft – Unternehmen erwarten auch bessere Verlustverrechnung
wf Berlin
Die Wissenschaftlerin Johanna Hey hält die Steuerpläne der schwarz-roten Koalition für nicht zielführend, um die hiesige Wirtschaft in der Breite zu entlasten und Deutschland als Standort für ausländische Investoren anziehend zu machen. „Die geplanten 30% haben keinen Wow-Effekt“, sagte Hey zu den vorgesehenen degressiven Abschreibungen für 2025, 2026 und 2027. Die neue Bundesregierung verspricht sich davon einen Investitions-Booster. Hey ist Direktorin des Instituts für Steuerrecht an der Universität zu Köln.
Für Ausländer bleibt alles beim Alten
Der Juristin zufolge haben nur Unternehmen etwas von dieser Maßnahme, die aktuell investieren. Der Dienstleistungssektor gehe leer aus und warte nach wie vor auf eine Tarifsenkung. Auch für internationale Investoren sei das Koalitionspaket unattraktiv. „Ein ausländischer Investor schaut auf den Steuersatz und sieht: Es bleibt alles beim Alten“, konstatiert Hey. „In Deutschland bewegt sich nichts.“ Zudem führe eine derart zaghafte Steuersatzsenkung beim Staat zu Einnahmeausfällen, ohne dass sie wirklich etwas bewirkten.
Die schwarz-rote Koalition will mit ihrer Steuerpolitik auch die Rezession überwinden. Der Körperschaftsteuersatz soll war sinken, aber erst von 2028 an schrittweise über fünf Jahre um je einen Prozentpunkt. „Das ist fast schon kontraproduktiv“, moniert Hey. „2029 kommt schon die nächste Bundestagswahl.“ Es wäre nicht das erste Mal, dass solche Vorhaben dann auf der Strecke bleiben.
Erleichterung bei Verlustverrechnung bleibt aus
Über die bessere Abschreibung und zaghafte Steuersatzsenkung hinaus bietet der Koalitionsvertrag aus Sicht der Juristin nichts. „Es gibt nichts zur Verlustverrechnung, nichts zur Organschaft, nichts zur Umstrukturierung, einfach wirklich nichts“, zeigt sie sich frustriert. Dabei erwarte die Wirtschaft gerade in der aktuellen Lage steuerlich mehr Luft. „Die Unternehmen sind im Augenblick wirklich unter Druck, das Verlustrisiko steigt“, warnt Hey. Bei oft nicht so gut gemanagten kommunalen Unternehmen will die Koalition Erleichterung schaffen. Aber sie verschwendet keinen Gedanken zu Verlusten von normalen Unternehmen, moniert Hey. „Das ist einfach frustrierend.“ Dabei postuliert die Koalition selbst, es müsse Wachstum geschaffen werden. „Wachstum schafft man mit risikobereiten Unternehmen. Risikobereite Unternehmen machen vor allem in der Anfangsphase oft Verluste.“
Positiv wertet Hey die Pläne, das kaum genutzte Optionsmodell zu verbessern. Personengesellschaften können sich damit der Körperschaftsteuer unterwerfen. „Sie sagt aber nicht, wie sie das schaffen will“, kritisiert die Wissenschaftlerin die Koalition.
Im Interview Seite 7