Stimmung stabilisiert sich
ba Frankfurt
Die deutschen Unternehmen blicken zwar weiterhin sorgenvoll in die Zukunft, doch hat sich die Stimmung im zweiten Monat des Ukraine-Krieges nicht weiter eingetrübt. Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist im April um 1,0 auf 91,8 Punkte geklettert. Ökonomen hatten nach dem Absturz um 7,9 Zähler im März mit einem weiteren Absinken auf 89,0 Punkte gerechnet. Entwarnung wollen sie in Sachen Unternehmensstimmung und einer möglichen Rezession hierzulande dennoch nicht geben.
„Die Geschäftserwartungen in der Industrie befinden sich nach wie vor auf Niveaus, bei denen es in der Vergangenheit zu Rezessionen gekommen war“, erinnert Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Dabei verweist er auf die Jahre 1992/93 nach dem Wiedervereinigungsboom, 2008 während der Finanzmarktkrise oder das Frühjahr 2020 nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie. „Die Folgen des China-Lockdowns werden die deutsche Wirtschaft in den nächsten Monaten treffen“, mahnte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview. „Das wird die Lieferkettenprobleme der Industrie verschärfen und die Verfügbarkeit von Waren im Einzelhandel einschränken.“ Vor allem die Logistik werde darunter leiden. „Das wird sich noch mal deutlich verschärfen.“
Erster Schock überwunden
Insgesamt habe sich die hiesige Wirtschaft „nach dem ersten Schock über den russischen Angriff widerstandsfähig gezeigt“, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter rund 9000 Managern. Für das erste Quartal erwarten die Münchener Wirtschaftsforscher keine Rezession, und auch für das laufende zweite Quartal zeichnet sich laut Wohlrabe kein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ab. Am Freitag veröffentlicht das Statistikamt Destatis die erste Schnellmeldung zur Wirtschaftsentwicklung seit Jahresbeginn. Die Prognosen von Bankvolkswirten für die ersten drei Monate liegen bei einem BIP-Plus von 0,2% zum Vorquartal. Zum Jahresschluss 2021 war die Wirtschaft um 0,3% geschrumpft. Für das Gesamtjahr 2022 erwartet die Bundesregierung Reuters zufolge ein Wirtschaftswachstum von 2,2% – bislang waren es 3,6%. 2023 sollen es dann 2,5% werden. Am morgigen Mittwoch legt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Frühjahrsprojektion vor (siehe auch unten stehender Bericht). Zuletzt haben Bankvolkswirte und Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Prognosen reihenweise nach unten geschraubt.
Dass sich die Unternehmensstimmung im April auf niedrigem Niveau stabilisiert hat, liegt vor allem an den weniger pessimistischen Erwartungen (siehe Grafik). Die aktuelle Lage wurde laut Ifo minimal besser bewertet. Die Entwicklung der einzelnen Sektoren verlief dabei uneinheitlich: So profitierten die Dienstleister – insbesondere aus den Bereichen Gastgewerbe und Tourismus – vom Ende der coronabedingten Restriktionen. Gegenwind droht hier vonseiten der hohen Inflation. Diese zeigt ihre Spuren bereits im weiter gesunkenen Geschäftsklima im Handel.
In der Industrie legte der Geschäftsklimaindex nach dem Absturz im März wieder zu – wegen des Anstiegs des Erwartungsindikators. Zwar sind die Auftragsbücher der Industrie nach wie vor gut gefüllt, allerdings gibt es Ifo-Experte Wohlrabe zufolge weiter Engpässe bei wichtigen Gütern: Rund 75% der befragten Unternehmen klagten im April über Lieferkettenprobleme. Im März waren es noch gut 80%. Die Produktion kommt einfach nicht in Schwung, und für das BIP im zweiten Quartal dürfte die Industrie daher ein Belastungsfaktor bleiben, betonen Ökonomen. Im April belasteten die Materialengpässe auch das Geschäft im Bauhauptgewerbe stark – hier ist das Geschäftsklima auf den niedrigsten Wert seit Mai 2010 abgestürzt. Die Erwartungen der Betrieben waren laut Ifo-Institut „noch nie so pessimistisch seit der Wiedervereinigung“. Die lange Jahre boomende Branche hat mit den Kostensteigerungen zu kämpfen: Sie komme mit ihren Kalkulationen nicht mehr hinterher, erklärte DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle. „Festpreisgarantien können die Bauunternehmen nicht mehr gewähren, was die Nachfrage dämpft.“ Der Bauwirtschaft stehe ein „schwieriges Jahr bevor“ – weniger als ein Viertel der Betriebe erwarte für 2022 höhere Umsätze als 2021, gut 40% hingegen niedrigere, erklärte Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe.
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