Stimmungswende in Deutschland
Bei der Betrachtung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland macht sich zunehmend Optimismus breit. Die schnelle Stimmungswende überrascht sogar die Ökonomen. Denn gleich um 24,6 Punkte stiegen die ZEW-Konjunkturerwartungen im Januar an auf nun 31,5 Punkte. Ein derart hoher Stand wurde zuletzt im Mai 2010 erreicht. Manche Prognosen werden jetzt als zu düster eingeschätzt.lz Frankfurt – Die vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zur Entwicklung der deutschen Konjunktur befragten Analysten und institutionellen Anleger zeigen sich immer zuversichtlicher: Der aus den Umfragen gewonnene Index der Konjunkturerwartungen stieg im Januar über den historischen Mittelwert ungewöhnlich zügig auf 31,5 Punkte. Ökonomen sehen das als Hinweis auf eine konjunkturelle Trendwende und als deutliches Signal für eine zügige Erholung der deutschen Wirtschaft. Zuletzt hatten sie für Januar allenfalls mit einem Plus von 12 Zählern beim ZEW-Konjunkturbarometer gerechnet.Die vom ZEW befragten 272 Finanzexperten machen erste Indizien aus, dass sich nicht nur die Erwartungen, sondern auch die konjunkturelle Lage bereits grundlegend verbessert hat. Der entsprechende Indikator stieg um 1,4 Zähler auf 7,1 Punkte.Ebenfalls positiv gestimmt sind sie hinsichtlich der Entwicklung in der Eurozone. Der Erwartungsindex erhöhte sich trotz der jüngsten Negativmeldungen über ausgeprägte Rezessionstendenzen im Währungsgebiet ebenfalls überraschend deutlich um 23,6 Zähler auf 31,2 Punkte. Allerdings befindet sich die Lageeinschätzung mit minus 75,3 Punkte nach wie vor tief im negativen Bereich. Von einer guten wirtschaftlichen Lage sprechen hier auch noch kaum die befragten Finanzexperten. Stefan Kiper von der BayernLB sieht immerhin “erste Verbesserung der Konjunkturerwartungen”. Der Weg hin zu einem Aufschwung im Euroraum sei “jedoch nach wie vor sehr weit”.Sehr viel günstiger dagegen die Einschätzungen im Hinblick auf die deutsche Konjunktur: “Die Finanzexperten verbinden mit der verbesserten Stimmung offenbar die Hoffnung, dass die Unternehmen zurückgestellte Investitionen nunmehr doch durchführen”, kommentierte ZEW-Chef Wolfgang Franz die jüngsten Umfragedaten. Die Unsicherheit der Märkte bezüglich der Zukunft der Eurozone habe sich “vorerst reduziert”. Allerdings werde die aktuelle Lage nach wie vor schwach eingeschätzt, und Franz rechnet im laufenden Jahr deshalb nur mit einem eher moderaten Wirtschaftswachstum. Konjunkturelle ErholungÄhnlich positiv äußerten sich auch Bankvolkswirte in ersten Einschätzungen zu den ZEW-Daten. Der kräftige Anstieg der Erwartungen auf den höchsten Wert seit fast drei Jahren sei “sehr positiv zu beurteilen”, sagte etwa Ulrich Wortberg von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Wortberg geht ebenfalls von einer konjunkturellen Erholung in den kommenden sechs Monaten aus und sieht in den ZEW-Daten eine positive Indikation für das Ifo-Geschäftsklima, das an diesem Freitag veröffentlicht wird.”Die Finanzprofis erwarten eine Trendwende”, sagt auch Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel. Das globale Umfeld habe sich verbessert – “von den aufgehellten Wachstumsperspektiven in China bis zur Auftragslage im deutschen Industriesektor”. “Der Start in das neue Jahr ist mehr als gelungen”, kommentiert auch DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle die aufgehellten Markterwartungen. Die US-Fiskalklippe sei vorerst umschifft worden, während Euro-Krisenländer wie Spanien deutlich niedrigere Zinsen für frisches Geld zahlen müssen.Noch unklar ist, inwieweit die Einschätzungen der Finanzprofis tatsächlich auch die Gegebenheiten in der Realwirtschaft abbilden. “Für sich genommen signalisiert der ZEW-Indikator auf seinem gegenwärtigen Niveau bereits im ersten Quartal 2013 ein leichtes Wachstum der deutschen Wirtschaft”, schreibt Stefan Kipar von der BayernLB. Unklar sei jedoch, “ob und wie rasch sich die optimistische Stimmung an den Finanzmärkten auf die Unternehmen und Haushalte überträgt”. Eine erste Einschätzung dürfte das am Freitag zur Veröffentlichung anstehende Ifo-Geschäftsklima geben. Verhaltene PrognosenBankenvolkswirte erwarten, dass das Ifo-Geschäftsklima zum dritten Mal in Folge steigen wird. Die Unternehmensstimmung würde einer Faustregel zufolge auf einen konjunkturellen Wendepunkt und mithin auf eine wirtschaftliche Belebung im Frühjahr hindeuten. Sollten sich die Markterwartungen bestätigen, hätte der Ifo-Index eine vergleichsweise schnelle Trendwende vollzogen.Doch sind die Vorhersagen zum deutschen Wachstum bislang eher verhalten. Denn das Bruttoinlandsprodukt war im vierten Quartal 2012 mit 0,5 % so stark eingebrochen wie seit dem Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise Anfang 2009 nicht mehr. Und die Bundesbank rechnet für das Gesamtjahr 2013 nur mit einem Plus von 0,4 %, nach 0,7 % 2012, hat aber jüngst zu erkennen gegeben, dass diese Einschätzung sich wohl eher am unteren Rand der möglichen Entwicklung befindet.