EuGH-Beschluss

Strafe für Polen facht Konflikt mit Brüssel an

Der Europäische Gerichtshof hat ein Zwangsgeld gegen Warschau verhängt. Der Streit über die Unabhängigkeit der Justiz in Polen treibt auch Analysten von Ratingagenturen um.

Strafe für Polen facht Konflikt mit Brüssel an

rec Frankfurt

Ein vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) verhängtes Zwangsgeld facht den Streit Polens mit der EU-Kommission über die Rechtsstaatlichkeit im Land an. Die Luxemburger Richter verdonnern Polen laut einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss zu einem Zwangsgeld in Höhe von 1 Mill. Euro pro Tag. Die Strafe greift, solange Polens Regierung sich einer Anordnung der EU-Kommission verweigert, die umstrittene Disziplinarkammer zur Bestrafung von Richtern abzuschaffen. In einer ersten Reaktion wies Polens Regierung den Beschluss des EuGH scharf zurück.

Damit verschärft sich der Konflikt der EU-Kommission mit Polen, in dem es um die Unabhängigkeit der Justiz in Polen geht. Nach Auffassung von EU-Kommission und EuGH verstößt Polen mit der Disziplinarkammer gegen EU-Recht. Für Aufsehen und neuen Streit mit Brüssel hat ein Grundsatzurteil des polnischen Verfassungsgerichts gesorgt, in dem es den unbedingten Vorrang von EU-Recht vor polnischem Recht zurückweist und damit ein Kernprinzip der Europäischen Union untergräbt.

Mit dem Beschluss des EuGH spitzt sich die Konfrontation zu. „Der EuGH verachtet und ignoriert die polnische Verfassung und die Urteile des Verfassungsgerichts komplett“, schrieb Polens Vize-Justizminister Sebastian Kaleta auf Twitter. Das Gericht überschreite seine Kompetenzen. „Das ist eine weitere Etappe der Operation, die Polen den Einfluss auf seine Staatsform wegnehmen soll. Das ist Usurpation und Erpressung.“ Mit harschen Worten hatte sich bereits zu Wochenbeginn Regierungschef Mateusz Morawiecki zu Wort gemeldet. In einem Interview mit der „Financial Times“ warnte er die EU-Kommission vor einem „Dritten Weltkrieg“ gegen sein Land.

Die EU-Kommission hatte Mitte Juli angeordnet, die Arbeit der 2018 ins Leben gerufenen Disziplinarkammer zu stoppen. Dieser Anordnung ist Polens Regierung bis heute nicht nachgekommen, obwohl sie dies zwischenzeitlich in Aussicht gestellt hatte, was als Zeichen der Deeskalation gewertet wurde. Vor anderthalb Monaten schaltete Brüssel deshalb den EuGH ein. Im EU-Parlament sorgte der EuGH-Beschluss für Beifall bei Grünen und SPD.

Der Konflikt beunruhigt Analysten von Ratingagenturen, weil die EU-Kommission Auszahlungen aus dem Wiederaufbaufonds zurückhält. Polen ist einer der größten Profiteure. Karen Vartapetov, führender Analyst für Osteuropa bei der Ratingagentur S&P, spricht von einer „sehr komplexen“ Gemengelage. Zwar hält S&P den Ausblick für Polens Rating neutral. Das fuße auf der Erwartung, dass Warschau und Brüssel „in den nächsten paar Monaten“ einen Kompromiss finden. Vartapetov sieht allerdings Anzeichen, dass Brüssel an Polen „ein Exempel statuieren will“.