Streit über Reformen und Budgetdefizit in Frankreich

Paris und Berlin gründen Arbeitsgruppe - Weidmann fordert strengen Umgang

Streit über Reformen und Budgetdefizit in Frankreich

Während EU-Partner von Frankreich eine stärkere Defizitbekämpfung und Reformen fordern, reagiert die sozialistische Regierung in Paris empfindlich auf Kritik aus dem Ausland. Sie muss der EU bis Mittwoch ihren Haushaltsentwurf vorlegen. Wirtschaftsminister Gabriel und sein Amtskollege Macron wollen nun von zwei Ökonomen Reformvorschläge ausarbeiten lassen.wü/fed Paris/Luxemburg – Frankreich versucht sich im Kräftemessen mit Brüssel. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone muss der EU bis Mittwoch wie alle Euro-Staaten ihren Haushaltsentwurf für 2015 vorlegen. Dieser geht jedoch nach Ansicht von Experten von zu optimistischen Wachstumsprognosen aus und sieht zudem vor, das Defizit erst 2017 unter die Maastrichter Obergrenze von 3 % zu senken – zwei Jahre später als noch im Frühjahr 2013 versprochen. Bereits damals hatte die EU Frankreich einen Aufschub von zwei Jahren zum Erreichen des Defizitziels gewährt.Während Standard & Poor’s (S & P) Freitagabend den Ausblick für Frankreichs Note “AA” von “stabil” auf “negativ” senkte und EU-Partner auf Reformen drangen, verbat sich Premierminister Manuel Valls jegliche Einmischung. Er lasse sich keine Lektionen erteilen, sagte er am Wochenende. “Wir sind diejenigen, die über den Haushalt entscheiden.” Zuvor hatte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem gefordert, Frankreich müsse das Defizit stärker bekämpfen und mehr reformieren. “Wir haben ihnen schon zwei Jahre gegeben.” Die Zeit habe Frankreich seiner Ansicht nach nicht genutzt.”Herr Dijsselbloem vertritt nicht Europa”, erklärte Finanzminister Michel Sapin dagegen. “Niemand verlangt eine Ausnahme von der Anwendung der Regeln.” Es gehe vielmehr darum, sich der Situation anzupassen. “Das Einzige, was wir von den Europäern fordern, ist, der Realität Rechnung zu tragen, vor der wir leider stehen: der Krise, welche die Eurozone zerfrisst”, sagte auch Premierminister Valls. Europa befinde sich quasi in der Deflation; auch Deutschland werde nicht verschont. “Man muss Frankreich respektieren – das ist ein großes Land”, erklärte er.Valls plädierte auch dafür, dass Brüssel bei der Bewertung des französischen Haushaltsentwurfs die militärischen Einsätze des Landes berücksichtigen müsse. Frankreich beteiligt sich derzeit an den Luftangriffen gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) im Irak. “Frankreich kommt zusammen mit Großbritannien nicht nur seiner Verantwortung für Europa, sondern für die gesamte Welt nach.”Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) weiß, wie sensibel Paris auf Ermahnungen reagiert. Zusammen mit seinem französischen Amtskollegen lässt er deshalb nach Reformideen für beide Länder suchen. Henrik Enderlein, Direktor des Jacques Delors Instituts in Berlin, und Jean Pisany-Ferry, Leiter des Generalkommissariats für Strategie in Paris, sollen bis Mitte November Vorschläge machen. Angesichts der schleppenden Wirtschaftserholung bestehe für Europa “die Gefahr eines verlorenen Jahrzehnts” mit schwachem Wachstum, exzessiv niedriger Inflation, hohen Schulden und hoher Arbeitslosigkeit, heißt es in dem Schreiben an die beiden Ökonomen. Als die beiden größten Volkswirtschaften in Europa hätten Paris und Berlin eine besondere Verantwortung, um eine rasche Erholung und dauerhaftes Wachstum zu sichern.Wirtschaftsminister Emmanuel Macron plädierte am Sonntag für eine Reform des großzügigen Arbeitslosenversicherungssystems, das ein Defizit von 3,8 Mrd. Euro aufweist. Sein Vorstoß sorgte indes beim linken Flügel der sozialistischen Regierungspartei für Empörung. Prompt ruderte der Elysée-Palast zurück und erklärte, dass das Thema nicht sofort angegangen werde.Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble warnte vor voreiligen Schlüssen über die Pariser Finanzpolitik. Er sei “zuversichtlich, dass eine Lösung mit Frankreich gefunden werden kann”. Wichtig sei, dass Europa an einer nachhaltigen Finanzpolitik festhalte. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem mahnte, es dürfe “keine Deals außerhalb des Pakts geben”. Auch Bundesbankchef Jens Weidmann hat Brüssel in einer Rede in Bielefeld zu einem strengen Umgang mit Paris aufgefordert.—– Kommentar Seite 1