Streit um Defizitregel neu entfacht

EZB und Bundestag warnen vor Aufweichung des Pakts - Brüssel will Infrastrukturkosten anrechnen

Streit um Defizitregel neu entfacht

Die mögliche Lockerung des europäischen Stabilitätspaktes stößt auf Kritik der Europäischen Zentralbank und der Unionsfraktion im Bundestag. Auch das Bundesfinanzministerium mahnt, den Beschluss des EU-Rats, Infrastrukturmaßnahmen zu berücksichtigen, mit Bedacht umzusetzen.ms/wf/fed Frankfurt/Berlin/Brüssel – EZB-Notenbanker Jörg Asmussen hat davor gewarnt, die erst vor kurzem verschärften Schuldenregeln in Europa wieder zu lockern. “Man sollte nicht am Stabilitätspakt herumschrauben”, sagte er gestern in Berlin. Es sei der falsche Weg, bestimmte Teile von Investitionen bei der Berechnung der Defizite der Euro-Länder herauszurechnen, so Asmussen.Der Notenbanker betonte, es dürfe nicht zwischen guten und schlechten Schulden unterschieden werden. “Jedes Defizit muss am Kapitalmarkt finanziert werden”, sagte Asmussen mit Blick darauf, dass die Staaten am Markt Investoren finden müssen, die ihnen Geld leihen – was einigen in der Euro-Krise nicht mehr gelungen ist und sie von internationalen Finanzhilfen abhängig gemacht hat.Mit seinen Aussagen reagierte Asmussen auf Medienberichte, nach denen die EU-Kommission plant, die Vorgaben aufzuweichen. Die Behörde wolle in Zukunft öffentliche Investitionen bei den Staatsdefiziten teils anrechnen, berichtete das “Handelsblatt” unter Berufung auf Regierungskreise. Konkret geht es um die Kofinanzierung von EU-Strukturfondsprogrammen.Hintergrund für Asmussens Warnung dürfte auch der in der EZB weit verbreitete Missmut darüber sein, dass einige Euro-Staaten den eingeschlagenen Spar- und Reformkurs schon wieder verlassen wollen. Die Währungshüter fürchten, dass das das Vertrauen in die Eurozone wieder schmälern und die Krise erneut verschärfen könnte.Deutlicher Widerstand regte sich gegen eine Lockerung der Schuldenregel im Stabilitätspakt auch in der Regierungskoalition im Bundestag. “Einer Aufweichung der Schuldenregeln stimmen wir nicht zu”, sagte der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Norbert Barthle (CDU). Nach den kritischen Äußerungen des Präsidenten der EU-Kommission José Manuel Barroso vor vier Wochen wäre dies “das nächste fatale Signal in der Staatsschuldenkrise”, das von der EU-Kommission ausgesendet werde. Barroso hatte sich vor einem Monat für eine Lockerung des Sparkurses ausgesprochen. Schon diese Äußerung war auf massive Kritik in der schwarz-gelben Regierungskoalition gestoßen.Barthle forderte nun “strikte Haushaltsdisziplin, konsequente Defizitverfahren und einen harten Stabilitäts- und Wachstumspakt”. Nur so könne verlorenes Vertrauen zurückgewonnen werden. Auch das Bundesfinanzministerium warnte mit Blick auf die mögliche Lockerung der Vorgaben davor, dass “Vertrauen schnell verspielt wird, aber mühsam gewonnen wird”. Berlin gehe davon aus, dass die EU-Kommission dieses bei ihren Überlegungen im Blick habe, sagte der Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Berlin. Es dürften keine Zweifel daran aufkommen, dass die Regeln des Stabilitätspaktes eingehalten werden. Debatte bei Gipfel absehbarDer Vorschlag der EU-Kommission dürfte der Planung zufolge in den nächsten Wochen veröffentlicht werden. Die Regierungschefs hatten Mitte Dezember beschlossen, “unter umfassender Wahrung des Stabilitäts- und Wachstumspakts” die Möglichkeiten zu nutzen, “die der bestehende haushaltspolitische Rahmen der Union bietet, um den Bedarf an produktiven öffentlichen Investitionen mit den Zielen der Haushaltsdisziplin in Einklang zu bringen”. Die EU-Kommission wird nun diese Ansage konkretisieren – und absehbar neue hitzige Debatten beim EU-Gipfel Ende Juni provozieren. Es gehe allein um die präventive Komponente des Paktes, betonte der Sprecher Schäubles. Dieser Aspekt habe nichts mit laufenden Defizitverfahren zu tun.