Strukturwandel drückt spanische Arbeitslosigkeit

Jobs niedriger Qualität hübschen die Statistik auf - Zahl der Erwerbspersonen sinkt überraschend

Strukturwandel drückt spanische Arbeitslosigkeit

ths Madrid – Die Besserung am spanischen Arbeitsmarkt ist zu Jahresbeginn ins Stocken geraten. Von Januar bis März fiel die Zahl der Arbeitslosen gegenüber dem Vorquartal saisonbereinigt zwar um 2,5 %, wie die vierteljährliche Erhebung des Nationalen Statistikamtes INE ergab. Doch überraschenderweise sank die Erwerbsbevölkerung noch stärker, so dass die Arbeitslosenquote bis März sogar leicht auf 23,8 % zulegte. Das sind derzeit 5,44 Millionen Personen.Die Volkswirte der spanischen Großbank BBVA hatten mit einem Rückgang der Erwerbstätigen von 35 000 Menschen gerechnet statt den tatsächlich 114 000. “Das ist eine Überraschung angesichts der positiven Zeichen der bei der Sozialversicherung gemeldeten Arbeitnehmer”, kommentierte BBVA-Analyst Juan Ramón García. ôngels Valls, Arbeitsmarktexpertin an der Esade Business School in Barcelona, erklärte die Entwicklung indes damit, dass “die Langzeitarbeitslosen aufhören, Arbeit zu suchen”, und so automatisch aus der Statistik fallen.Seit über einem Jahr ist Spaniens Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs. Nach einem Anstieg von 1,4 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) 2014 erwarten fast alle Experten für 2015 ein Plus von mindestens 2,5 %. Das hatte sich zuletzt auch am Arbeitsmarkt bemerkbar gemacht. Gegenüber dem ersten Quartal 2014 verbuchte das Statistikamt fast eine halbe Million Erwerbslose weniger. Insgesamt haben in Spanien 17,45 Millionen Menschen eine bezahlte Arbeit, was jedoch noch weit von den über 20 Millionen zu Hochzeiten des Baubooms vor knapp zehn Jahren entfernt ist.Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy hat mit Blick auf die Parlamentswahlen Ende 2015 versprochen, dass zwischen 2014 und 2015 eine Million neuer Arbeitsplätze entstehen würden, ein Ziel, das Analysten für schwierig, aber nicht ausgeschlossen halten. Die Regierung hilft auch etwas nach: Im ersten Quartal entstanden 29 000 Stellen im öffentlichen Dienst, so viel wie zuletzt vor fünf Jahren. Umstrittene ReformfolgenWas aber zunehmend Sorge bereitet, ist die schlechte Qualität der neuen Arbeitsplätze, was zum Teil eine Folge der Reformen ist. In jüngster Zeit entstanden überwiegend Halbtagsstellen und zeitliche befristete Arbeitsverhältnisse. Zudem arbeiten immer mehr Spanier als Selbständige. Die Branche, in der die meisten neuen Jobs geschaffen werden, ist der Tourismussektor, der gegenwärtig alle Rekorde schlägt. Selbst die Baubranche floriert nach der geplatzten Immobilienblase wieder.Unternehmer und einige Volkswirte verteidigen den Anstieg der Halbtagsjobs mit der damit verbundenen Flexibilität für die Wirtschaft. Laut einer Studie der Arbeitsagentur Manpower würde aber jeder dritte Arbeitnehmer gerne mehr Stunden absolvieren. Auch die Europäische Kommission und der Internationale Währungsfonds (IWF) mahnen Spanien, nun mehr auf die Qualität der Jobs zu achten. Immerhin, im ersten Quartal gab es der Statistik zufolge im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 2,7 % mehr unbefristete Verträge.Der Anstieg der prekären Jobs und die zum Höhepunkt der Krise von den Tarifpartnern vereinbarte Lohnmäßigung haben sich auch auf die Gehälter ausgewirkt. Seit 2008 sind die Reallöhne in Spanien nach Zahlen der EU-Kommission um 4,5 % gesunken. Jetzt, wo es zumindest den Großunternehmen wieder besser geht, fordern Gewerkschaften kräftige Lohnerhöhungen. Die Tarifverhandlungen stecken seit Monaten fest, obwohl es im Grunde nur um einen symbolischen Wert geht. Die Arbeitnehmervertreter verlangen um jeden Preis ein Lohnplus von mehr als 1 % – die Wirtschaftsverbände bieten maximal 0,9 %.Arbeitsministerin Fátima Báñez drängt die Tarifpartner zu einer raschen Einigung. Sie versteht, dass die Arbeitnehmer mehr Lohn fordern, mahnt die Gewerkschaften jedoch, die mehr als fünf Millionen Arbeitslosen dabei nicht zu vergessen. Besonders die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die bis März nur leicht auf 51,3 % fiel, macht Sorgen.