Südafrikas Währungshüter sind am Zug
rec Frankfurt
Unter dem Eindruck brutaler Ausschreitungen in Teilen Südafrikas mit Dutzenden Toten und gravierenden wirtschaftlichen Folgen bestimmen die Währungshüter des Landes am Mittwoch ihren weiteren geldpolitischen Kurs. Es gilt als wahrscheinlich, dass sie ihre Politik der ruhigen Hand fortsetzen und den Leitzins bei 3,5% belassen werden. Damit reihen sie sich wohl einstweilen nicht in die größer werdende Schar von Kollegen aus anderen Schwellenländern ein, die angesichts steigender Inflation auf frühzeitige Zinserhöhungen setzen – auch mit dem Ziel, Kapitalabflüsse und Währungsturbulenzen anders als in früheren Episoden anziehender US-Zinsen zu minimieren.
Beobachter rechnen frühestens Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres mit einer Zinserhöhung in Südafrika. Die jüngste Eskalation der Gewalt lässt eine baldige Abkehr von der lockeren Geldpolitik im Zuge der Coronakrise umso unwahrscheinlicher erscheinen. Seit Tagen werden die zwei bevölkerungsreichsten Provinzen Südafrikas von schweren Ausschreitungen erschüttert. Mehr als 100 Menschen starben. Zehntausende Soldaten sind im Einsatz.
Auslöser war die Inhaftierung von Ex-Präsident Jacob Zuma, den ein Gericht wegen Missachtung der Justiz im Rahmen von Korruptionsverfahren zu 15 Monaten Haft verurteilte. Der amtierende Präsident Cyril Ramaphosa führte nun als Motiv für die Ausschreitungen und Plünderungen an, nicht näher benannte Hintermänner wollten die Wirtschaft destabilisieren. Der Chef der Streitkräfte, General Rudzani Maphwanga, kündigte Berichten zufolge an, man werde die geplante Gewalt „mit Gewalt beantworten; wir werden keine ökonomische Sabotage erlauben.“
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Eskalation sind in der Tat verheerend. Für die Industrie wichtige Umschlagplätze und Verkehrsadern wie der Hafen von Durban und die Autobahn N3 zwischen Durban und den Metropolen Johannesburg und Pretoria im Landesinnern waren tagelang gesperrt. Das setzt Exporteuren von Rohstoffen und Metallen, die Südafrikas Volkswirtschaft angesichts des globalen Aufschwungs aus der Krise tragen sollen, genauso zu wie heimischen Lieferanten. Lebensmittel, Medikamente und Sprit sind knapp. Für Beobachter sind die Ausschreitungen ein unvorhergesehenes zusätzliche Abwärtsrisiko für die Konjunktur. Vor Wochen haben die Behörden aufgrund stark steigender Corona-Infektionszahlen und der schleppenden Impfkampagne neuerliche Beschränkungen in mehreren Provinzen verhängt und verlängert.
Für Gina Schoeman, Südafrika-Expertin der US-Bank Citi, erinnern „die aktuellen Proteste und Unruhen eindringlich daran, wie dringend Reformen zur Steigerung des Potenzialwachstums sind“. Das Land gilt wegen chronisch hoher Arbeitslosigkeit – derzeit ist circa ein Drittel der Bevölkerung ohne Job – und einer extremen Spaltung in Arm und Reich als Pulverfass. Für zusätzliche Probleme sorgen ein in den Augen von Kritikern aufgeblähter und ineffizienter Staatsapparat, sanierungsbedürftige Staatsunternehmen und die hohe Schuldenlast: Im Zuge der Pandemie dürfte die öffentliche Verschuldung absehbar die Schallmauer von 100% der Wirtschaftsleistung durchbrechen. Im Schwellenländer-Universum ist dies ein ungewöhnlich hoher Wert und Hauptgrund, weshalb Südafrikas Staatsanleihen von allen drei führenden Ratingagenturen mit Ramsch bewertet sind.
In dieser Gemengelage kommt es umso mehr auf die Zentralbank an. Sie hat in der Coronakrise erstmals zum Ankauf von Staatsanleihen gegriffen – um die Finanzmärkte zu stabilisieren und Notfallliquidität bereitzustellen, nicht mit der Absicht, der Regierung die Schuldenaufnahme zu erleichtern, wie Zentralbankchef Lesetja Kganyago unterstreicht. Aus gutem Grund: Die South African Reserve Bank hat sich an den Finanzmärkten einen Ruf als Garant von Stabilität und Unabhängigkeit erworben. Kganyago selbst hat immer wieder Reformen angemahnt – lange vor der jüngsten Eskalation.