Tauziehen um Regierungsbildung

Gespräche in Portugal sind festgefahren - Knackpunkt ist das Kräfteverhältnis

Tauziehen um Regierungsbildung

ths Madrid – Portugals Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva wird nächste Woche die Parteispitzen offiziell empfangen und versuchen, eine neue Regierung zustande zu bringen. Es wird eine schwere Aufgabe, nachdem die Parlamentswahlen vom 4. Oktober keine klare Mehrheit ergeben haben. Die Gespräche zwischen der konservativen Koalition von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho und den Sozialisten (PS) sind festgefahren. Der Regierungschef erklärte am Mittwoch verärgert, dass er vorerst keine weiteren Verhandlungen mit der PS führen wolle. Doch der Vorsitzende der Sozialisten, António Costa, signalisierte gestern, dass er nach wie vor bereit sei, sich mit den Konservativen auf ein Programm zu verständigen.Der Streitpunkt sind die Kräfteverhältnisse beider Seiten. Passos Coelho kann sich als Wahlsieger präsentieren, da seine Liste 38,6 % der Stimmen und 107 Abgeordnete in einem Parlament mit 350 Sitzen errang (die Verteilung von vier Mandaten, die den Portugiesen im Ausland entsprechen, steht noch aus). Die PS kam dagegen auf 32,3 % und 86 Sitze. Allerdings gilt zu beachten, dass sich die liberale PSD von Passos Coelho mit ihrem bisherigen Koalitionspartner, der christdemokratischen CDS-PP, auf eine gemeinsame Liste geeinigt hatte, was beiden nach dem portugiesischen Wahlsystem Vorteile bei der territorialen Verteilung der Sitze verschaffte. Wären beide wie vor vier Jahren getrennt angetreten, wären die Sozialisten wahrscheinlich stärkste Kraft geworden.Der Ministerpräsident klagte am Mittwoch, dass Costa sich so aufführe, als hätte er die Wahl gewonnen. Der Sozialist seinerseits erinnerte Passos Coelho gestern daran, dass die linken Parteien – PS, der Linke Block (Bloco de Esquerda) und die Kommunisten (CDU) – zusammen die absolute Mehrheit der Stimmen und Abgeordneten halten. “Einige politische Kräfte haben immer noch nicht verstanden, was dieses Wahlergebnis eigentlich bedeutet”, sagte der PS-Führer.Es ist ein relativ ausgeglichenes Tauziehen, wobei dem Staatspräsidenten, der direkt vom Volk gewählt wird, eine wichtige Rolle zukommt. Noch gilt in Lissabon eine Einigung zwischen Konservativen und Sozialisten als wahrscheinlichste Lösung. Doch Costa hat durch erste Gespräche mit dem Bloco und den Kommunisten die Alternative eines Linksbündnisses realistisch wirken lassen.Neben Machtfragen geht es natürlich auch um Inhalte. Die PS will für die Unterstützung einer konservativen Minderheitsregierung unter Passos Coelho ihren Preis einfordern, etwa eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohnes, eine Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer und der Mehrwertsteuer für die Gastronomie. Bei einer solchen Einigung stünde Costa, sollte er nicht von den Parteifreunden gestürzt werden, die ganze Legislaturperiode unter Druck des linken Flügels der PS, der wiederum auf Bloco und CDU schielt.Eine sozialistische Minderheitsregierung mit Unterstützung der beiden linken Parteien ist auch denkbar, doch die ideologischen Unterschiede sind erheblich, vor allem was die EU und den Euro anbelangt. Sollte es keine Einigung geben, kann Cavaco Silva die Konservativen mit einer provisorischen Übergangsregierung beauftragen bis zu Neuwahlen nächsten Sommer. In dem Fall dürfte es aber schwierig werden, den Haushalt für 2016 durchs Parlament zu bringen.