Teuerung sorgt für Konsumverzicht
ba Frankfurt
Die Kassen der deutschen Einzelhändler haben im April so selten geklingelt wie seit etwa einem Jahr nicht mehr – obwohl sämtliche Coronabeschränkungen außer Kraft sind. Da die hohe Inflation an der Kaufkraft der Konsumenten nagt und der Ukraine-Krieg für Verunsicherung sorgt, werden sich die Konsumenten wohl für längere Zeit sparsam zeigen. Damit trüben sich die Konjunkturaussichten weiter ein. Denn der private Konsum, der schon im ersten Quartal geschwächelt hat, wird auch im Frühjahrsquartal als Schwunggeber ausfallen. Die Konsumstimmung ist derzeit auf einem Tiefpunkt, wie auch die jüngste Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK zeigt.
Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) fiel der Einzelhandelsumsatz im April im Monatsvergleich um nominal 4,7%. Real, also preisbereinigt, lag das Minus sogar bei 5,4%. Vorab befragte Ökonomen hatten hier nur einen Rückgang von 0,2% erwartet. „Damit erreichte der reale Umsatz den tiefsten Stand seit Februar 2021“, erklärten die Wiesbadener Statistiker.
Besonders schlecht liefen die Geschäfte mit Lebensmitteln: Hier gab es sogar ein reales Minus von 7,7%. „Dabei handelte es sich um den größten Umsatzeinbruch gegenüber dem Vormonat seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1994“, heißt es bei Destatis. „Diese Entwicklung ist vermutlich den deutlich gestiegenen Preisen für Lebensmittel geschuldet.“ Diese sind im April um 8,6% zum Vorjahr gestiegen.
„Das ist wohl nur der Auftakt zu anhaltendem Konsum-Schlamassel“, sagte der Chefvolkswirt der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe, Alexander Krüger. Der kräftige Inflationsanstieg erschwere es vielen Privathaushalten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. „Selbst beim Kauf von Lebensmitteln streiken die Konsumenten bereits“, sagte Krüger.
Die Konsumenten haben derzeit kaum Hoffnung auf Entspannung: Einer am Mittwoch veröffentlichten Forsa-Umfrage zufolge rechnen 94% nicht damit, dass die Preise bald sinken könnten. Im Gegenteil erwartet die Mehrheit von 56% (gegenüber 46% in der Januar-Umfrage) sogar, dass die Preise auch jetzt noch weiter steigen werden.
Der Ukraine-Krieg hat für einen massiven Preisschub bei Energie, Rohstoffen und Nahrungsmitteln gesorgt. Im Mai ist die Inflationsrate in Deutschland auf 7,9% gestiegen. Sie ist damit etwa so hoch wie zuletzt im Winter 1973/1974. Die „galoppierende Inflation“ bereite bei weitem nicht nur den unteren sozialen Schichten Sorgen, sondern mittlerweile großen Teilen der Bevölkerung, erklärten die Meinungsforscher. „Das sollte für die Politik Anlass sein, bei allen Entlastungsmaßnahmen auch die breite Mittelschicht nicht aus den Augen zu verlieren.“ Knapp zwei Drittel der Deutschen sind laut Umfrage der Meinung, die Bundesregierung müsse hier mehr tun.
Zudem sorgen der Ukraine-Krieg und die Sanktionen des Westens gegen Russland für spürbaren Pessimismus: 73% der Befragten gehen davon aus, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik in den kommenden Jahren verschlechtern, nur 10% rechnen mit einer Verbesserung. Die Einschätzungen seien damit sogar negativer als während der Finanzkrise 2008, erklärte Forsa.
Lieferprobleme ohne Ende
Für weiteres Ungemach im Einzelhandel sorgen gesperrte Großhäfen in China infolge von Corona-Ausbrüchen. So haben sich im Mai die Lieferprobleme im Einzelhandel verschärft. 80% der Händler klagten, dass sie nicht alle bestellten Waren liefern können. In der Ifo-Umfrage von April waren es lediglich 67%, auf dem bisherigen Höhepunkt im vergangenen Dezember 81,6%. „Viele Waren stehen nicht im Regal, sondern im Container in einem Hafen von China“, sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. „Der Konsument braucht somit eine gewisse Flexibilität beim Einkauf.“